Eine Woche nach dem Osterterror sucht das Land nach Antworten

Die Angst regiert in Sri Lanka

Nach den Anschlägen in Sri Lanka sind viele Fragen offen. Fest steht wohl, dass die Attentäter Salafisten waren. Bei Razzien von mutmaßlichen Verstecken des "Islamischen Staates" sind Freitagnacht mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen.

Autor/in:
Michael Lenz
Ein katholischer Priester aus Sri Lanka steht neben Glasscherben vor der Kirche St. Anthony's. / © Manish Swarup (dpa)
Ein katholischer Priester aus Sri Lanka steht neben Glasscherben vor der Kirche St. Anthony's. / © Manish Swarup ( dpa )

Die Moscheen in Sri Lanka waren zum Freitagsgebet nur schwach besucht. Die Angst vor Racheakten gegen Muslime für das Massaker vom Ostersonntag ist groß. Die Behörden warnten aber auch Buddhisten, Hindus und Christen vor Besuchen von Tempeln und Kirchen. Die Terrorgefahr in dem multireligiösen, jedoch mehrheitlich buddhistischen Land ist noch nicht vorbei.

Gut eine Woche nach den Anschlägen gibt es erste Erkenntnisse über die Täter und ihre Motive. Aber es tauchen auch immer mehr Fragen auf. Die vielleicht wichtigste lautet: Warum haben Polizei, Armee und Geheimdienste nichts zur Verhinderung der Anschläge unternommen, obwohl sie seit Anfang April über die Gefahr informiert waren?

Acht der neun Selbstmordattentäter stammten aus dem Inselstaat

Antiterroreinheiten in Indien hatten Tamil Nadu festgenommen, ein Mitglied der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), der Muslime in Sri Lanka zu Selbstmordattentätern ausgebildet hatte. Bereits im Januar wurden zudem in einem Ausbildungslager in Sri Lanka große Mengen Sprengstoff gefunden. "Das Verteidigungsministerium und die Polizei haben das alles auf die leichte Schulter genommen", schreibt der Politologe Laksiri Fernando in einer Analyse des Terrors im "Colombo Telegraph".

Acht der neun bisher identifizierten Selbstmordattentäter, darunter der mutmaßliche IS-Statthalter auf Sri Lanka Zahran Hashim, stammten aus dem Inselstaat. "Es ist aber unwahrscheinlich, dass eine lokale Gruppe erfahren genug ist, eine Serie koordinierter Angriffe zu planen", heißt es in einer weiteren Analyse vom Internationalen Studienzentrum für gewalttätigen Extremismus (ICSVE). Die Vorlage für die Anschläge stamme eher "direkt aus den Lehrbüchern des IS und von Al Kaida".

Terrorismus ist in Sri Lanka nicht unbekannt. In der Vergangenheit wurden viele Anschläge von der Separatistenmiliz der hinduistischen tamilischen "Befreiungstiger" (LTTE) ausgeführt. Sie bedienten sich dabei früh der Terrortechnik "Selbstmordattentat". Mit der vernichtenden militärischen Niederlage der LTTE vor zehn Jahren aber war auch Schluss mit Terror in Sri Lanka.

Während des autoritären Regimes von Präsident Mahendra Rajapaksa zwischen 2010 und 2015 war es immer häufiger zu Gewalt der extremistischen buddhistischen Mönchsbewegung BBS gegen die religiösen Minderheiten der Muslime und Christen gekommen. Dies waren jedoch lokale Konflikte, die nach Ansicht vieler Sicherheitsexperten als Motiv für die Anschläge vom Ostersonntag nicht ausreichen. Wahrscheinlicher ist laut den Experten von ICSVE ein "internationales Motiv" aus der Ideologie des IS. Darauf weise auch der Satz im Bekennervideo des IS "Oh Kreuzritter, dieser blutige Tag (21/4) ist unsere Belohnung für euch" hin.

Politische Lage ist verworren

In Sri Lanka arbeiten die Sicherheitsbehörden mit ausländischer Hilfe fieberhaft daran, die Hintermänner ausfindig zu machen. Die verworrene politische Lage des Inselstaates im Indischen Ozean ist dieser immensen Aufgabe aber nicht gerade förderlich. Ende 2018 scheiterte Präsident Maithripala Sirisena am Verfassungsgericht, in einer Nacht- und Nebelaktion Premierminister Ranil Wickremesinghe durch den umstrittenen Ex-Präsidenten Rajapaksa zu ersetzen. Das Verhältnis zwischen Sirisena und Wickremesinghe ist seitdem nachhaltig gestört. Lachender Dritter ist der im Sicherheitsapparat noch bestens vernetzte Rajapaksa, der zurück an die Macht strebt.

Für das ICSVE ist der Terror von Sri Lanka der Beweis, dass der IS zwar sein Territorium in Syrien und im Irak verloren, aber die Ideologie eines islamischen Kalifats fest in den Köpfen seiner Anhänger etabliert hat. Die Welt müsse sich auf eine Terrorwelle "kleiner Start-Up-Terrorgruppen mit losen Verbindungen zu den großen Terrororganisationen der Vergangenheit" gefasst machen, warnt das Institut. "Alles, was sie wirklich brauchen, ist der Glaube an die Märtyrerideologie, ein paar Mitglieder, die bereit sind, sich selbst in die Luft zu sprengen und vielleicht einen Paten von außerhalb."


Quelle:
KNA