Ordensmann blickt skeptisch auf Friedensprozess im Südsudan

"Niemand vertraut dem anderen"

Nach dem Treffen von Südsudans Präsident Salva Kiir und seinem Rivalen Riek Machar im Vatikan blickt der Comboni-Missionar Gregor Schmidt skeptisch auf den Friedensprozess. Die Vereinbarung sei unter Druck unterzeichnet worden.

Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel (KNA)
Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel ( KNA )

Die beiden Kontrahenten hätten die jüngste Vereinbarung zur Einsetzung einer Übergangsregierung nur unter Druck unterschrieben, sagte der Comboni-Missionar Gregor Schmidt in einem am Montag auf dem Internetportal weltkirche.katholisch.de veröffentlichten Beitrag. Er halte das Manöver der Regierung mit der Friedensvereinbarung "für einen Trick, um die Gelder der UNO und der Hilfsorganisationen so lange wie möglich einzustreichen", so Schmidt.

Neue Konflikte seien wahrscheinlich

Ein anderes Problem sei, dass es jetzt fünf Vizepräsidenten gebe, um möglichst viele Gruppen einzubinden, erläuterte der Ordensmann. "Politische Macht verhält sich aber wie ein Kuchen: Je mehr Leute mitessen, umso kleiner ist das eigene Stück." Er rechne nicht damit, dass die Übergangsregierung wie geplant im Mai ihre Arbeit aufnehme, sagte Schmidt, der seit 2009 im Südsudan tätig ist. Eher seien neue Konflikte wahrscheinlich. "Ich weiß aus Diplomatenkreisen, dass alle Seiten unter der Hand aufrüsten. Niemand vertraut dem anderen."

Der Ordensmann warnte davor, zu sehr auf Kiir und Machar zu setzen. Kiir sei eine Marionette seiner Berater und des Ältestenrates seines Volkes, der Dinka. Machar wiederum repräsentiere ausschließlich die eigene Ethnie der Nuer. "Es gibt unzählige andere Oppositionsgruppen, die sich weder von den Dinka noch von den Nuer regieren lassen wollen." Kiir und Machar wollten lediglich aus Gründen des Machterhaltes weiter auf ihren Positionen bleiben. "Sie haben aber wenig Einfluss darauf, was tatsächlich vor Ort im Busch passiert." Am besten sollten beide zurücktreten.

Chaotische Lage im Staat

Insgesamt bezeichnet der Comboni-Missionar die Lage im "jüngsten Staat der Welt", der sich 2011 vom Sudan unabhängig erklärte, als chaotisch. "Neben Kriegshandlungen gibt es erschreckend viel Bandengewalt und Kriminalität, weil Gesetzlosigkeit herrscht, und es gibt das traditionelle Morden beim Rinderraub." Manchmal sei gar nicht klar, ob es sich um Rachemorde wegen Rinderraubs handle, um Bandenkriminalität, oder um eine Tat im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg.

Zu einer Aufarbeitung all dieser Verbrechen werde es nach aktuellem Stand wohl nicht kommen, so Schmidt weiter. "Es gibt keine unabhängige Gerichtsbarkeit und keine Gewaltenteilung im Südsudan." Davon abgesehen seien die staatlichen Institutionen "inkompetent und korrupt".

Das Treffen im Vatikan fand in der vergangenen Woche statt. Es kam auf Initiative von Anglikaner-Primas Justin Welby zustande. Für Schlagzeilen sorgte eine ungewöhnliche Geste von Papst Franziskus. Der 82-Jährige kniete vor den beiden politischen Kontrahenten nieder, küsste ihnen die Füße und bat sie eindringlich darum, sich für Frieden in ihrem Land einzusetzen. Zudem wollen Franziskus, Welby und weitere hochrangige Kirchenvertreter eine ökumenische Friedensreise in den Südsudan unternehmen.


Franziskus küsst den den Anführern der streitenden Parteien die Füße (Reuters)
Franziskus küsst den den Anführern der streitenden Parteien die Füße / ( Reuters )
Quelle:
KNA