Einsturz von Notre-Dame wohl abgewendet

Feuer in Pariser Wahrzeichen unter Kontrolle

Paris unter Schock. Notre-Dame hat gebrannt, die Schäden unermesslich. Stundenlang kämpften 400 Feuerwehrleute um Frankreichs Wahrzeichen. Zwischenzeitlich drohte sogar ein Komplettverlust.

Autor/in:
Alexander Brüggemann und Inga Kilian
Feuer in der Kathedrale Notre-Dame / © Benoit Tessier (Reuters)
Feuer in der Kathedrale Notre-Dame / © Benoit Tessier ( Reuters )

Schock und Entsetzen in Paris. Aus dem Hauptschiff der weltberühmten Kathedrale schlagen am Montagabend Flammen und meterhohe Rauchwolken. Bald brennt der gesamte Dachbereich. Der Himmel über der Seine färbt sich glutrot. Der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 13. Jahrhundert brennt aus und stürzt ein.

400 Einsatzkräfte am Werk

Gegen neun Uhr abends schien das Großfeuer zunächst leidlich eingegrenzt. Doch der Feuerschein trog. Wenige Minuten später hieß es, auch der Nordturm der Fassade habe Feuer gefangen. Auch wenn sich dies lange nicht bestätigte: Die Live-Bilder blieben dramatisch. 400 Einsatzkräfte kämpften wie die Löwen. Rund um Chorgestühl und Hauptaltar, das liturgische Herz der Kathedrale, brannte es weiter
lichterloh. Nichts dort wird zu retten sein.

Die Einsatzleitung der Feuerwehr konnte über Stunden keine Entwarnung geben. Bis Mitternacht werde sich das Schicksal der Kathedrale entscheiden, hieß es. Man könne nicht garantieren, ob die Kirche als
Ganze zu retten sei. Doch was bedeutete das: kontrolliertes Ausbrennen? Komplettverlust bis auf verkohlte Außenmauern.

Experten erläuterten: Im Herzen des Brandes herrschten Temperaturen bis zu 1.000 Grad. Das setze dem Mauerwerk extrem zu. Wenn es nicht gelinge, zeitig nah genug an das Zentrum heranzukommen, müsse man das Gebäude womöglich aufgeben, um nicht das Leben der Rettungskräfte durch Einsturzgefahr aufs Spiel zu setzen.

Türme des Westwerks gerettet

Gegen elf Uhr dann die entscheidende Nachricht des Einsatzleiters: Der Einsturz sei abgewendet, die Türme des Westwerks gerettet. Man sei optimistisch, die Kirche halten zu können. Allerdings seien zwei
Drittel des Dachstuhls rettungslos verloren. Für seine Leute beginne nun die gefährlichste Mission: sich dem Brandherd von hinten zu nähern, um möglichst viel aus dieser Stadtkammer Frankreichs zu retten. Und tatsächlich wurde schon bald ein erster Feuerwehrmann schwer verletzt, getroffen von einem Regen geschmolzenen Bleis von den Dächern.

Die Brandursache war zunächst unklar. Am wahrscheinlichsten hängt sie mit den aufwändigen Renovierungsarbeiten zusammen, die am Dachstuhl im Gange waren. Die Arbeiter waren jedoch bereits im  Feierabend, als das Feuer gegen 18.50 Uhr entdeckt wurde. Die Kathedrale wurde zurzeit für rund 60 Millionen Euro aufwändig renoviert. Große Teile sind eingerüstet. Wichtige Gemälde, Kunstgegenstände und Reliquien konnten offenbar gerettet werden, darunter auch die traditionell verehrte Dornenkrone Jesu.

Macron besucht Unfallort

Staatspräsident Emmanuel Macron eilte an den Unglücksort. Auf Twitter schrieb er, seine Gedanken seien bei allen Katholiken und bei allen Franzosen. «"ie alle unsere Landsleute bin ich heute Abend traurig,
diesen Teil von uns brennen zu sehen." Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach auf Twitter von einem "entsetzlichen Feuer". Vize-Bürgermeister Emmanuel Gregoire, forderte die Pariser auf, das
Gebiet freizuhalten und die Rettungskräfte ihre Arbeit machen zu lassen.

Die frühgotische Kathedrale Notre-Dame gehört zu den Wahrzeichen von Paris und zum Weltkulturerbe der Unesco. Vielen gilt sie als Inbegriff von Frankreichs Kathedralen. Sie wurde zwischen 1163 und
1345 erbaut; 2013 wurde der 850. Jahrestag der Grundsteinlegung gefeiert. Victor Hugos Roman "Der Glöckner von Notre Dame" (1831) machte das nach der Französischen Revolution verfallende Gotteshaus zum Gegenstand romantischer Verklärung. Jährlich wird Notre-Dame von 12 bis 14 Millionen Menschen besucht.

Renovierungsarbeiten

Zuletzt wurde angekündigt, Notre-Dame werde bis 2027 für 60 Millionen Euro renoviert. Statuen, Wände und Stützbögen hatten über die Jahrhunderte stark gelitten; die Pfeilerstruktur wies Rostschäden auf. Für die Pariser Feuerwehr werden es eine lange Nacht und lange Tage werden. Danach schlägt dann wieder die Stunde der Restauratoren - nun in noch viel größerem Maßstab.

Immer wieder brechen bei Restaurierungsarbeiten schwere Brände aus, so etwa 2004 bei der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Von möglicher Brandstiftung sprach am Abend niemand. Dabei ist das Symbol Notre-Dame in der jüngeren Vergangenheit wiederholt auch Ziel symbolträchtiger Übergriffe geworden. So gab es nicht nur mehrere Terrorwarnungen und Alarm durch Drohnenüberflüge.  Gläubige klagten über Kopfschmerz und Schwindel, sodass eine Vergiftung des Weihwassers in Erwägung gezogen wurde.

Und im Mai 2013 erschoss sich der rechtsextreme Theoretiker und Waffenkundler Dominique Venner demonstrativ vor dem Hauptaltar von Notre-Dame. In seinem Blog schrieb er noch: «Wir treten in eine Zeit ein, in der Worte durch Taten bekräftigt werden müssen», um "die Bewusstlosen aufzuwecken". - Noch sind die Brandursachen nicht erforscht. Am Abend deutete zunächst vieles auf einen Handwerksfehler
hin.


Flammen und Rauch steigen aus der Kathedrale Notre Dame auf / © Thibault Camus (dpa)
Flammen und Rauch steigen aus der Kathedrale Notre Dame auf / © Thibault Camus ( dpa )

Feuer in Paris: Kathedrale Notre-Dame brennt / © Benoit Tessier (Reuters)
Feuer in Paris: Kathedrale Notre-Dame brennt / © Benoit Tessier ( Reuters )

Dachstuhl von Notre Dame in Flammen / © Benoit Tessier (Reuters)
Dachstuhl von Notre Dame in Flammen / © Benoit Tessier ( Reuters )
Quelle:
KNA