450 Jahre Wallfahrtskirche über der "Portiunkula" von Assisi

Eine Kirche der Kontraste

Die Basilika Santa Maria degli Angeli, errichtet über der kleinen Portiunkula-Kapelle, die als Ursprungsort der franziskanischen Bewegung gilt, zieht bis heute viele Pilger an. Vor 450 Jahren wurde der Grundstein gelegt.

Autor/in:
Inga Kilian
Basilika Santa Maria degli Angeli / © Severina Bartonitschek (KNA)
Basilika Santa Maria degli Angeli / © Severina Bartonitschek ( KNA )

Wer Assisi besucht, kommt am heiligen Franziskus nicht vorbei. Und wer sich mit Franziskus befasst, landet zwangsläufig irgendwann in der Basilika Santa Maria degli Angeli (Unsere Liebe Frau von den Engeln) im Tal von Assisi. In der dreischiffigen Basilika befinden sich zwei der bedeutendsten Denkmäler des Lebens des Heiligen und der Geschichte des franziskanischen Ordens: die kleine Portiunkula-Kirche und die sogenannte Transituskapelle.

Vor 450 Jahren, am 25. März 1569, legte der damalige Bischof von Assisi den Grundstein für die Basilika, die über den beiden Kapellen errichtet wurde. Erbaut wurde die Kirche auf Wunsch von Papst Pius V. (1566-1572) nach den Vorstellungen des Architekten Galeazzo Alessi. Sie sollte den zahlreichen Pilgern Platz bieten, die die Portiunkula-Kapelle anzieht. Letztere gilt als Ursprungsort der franziskanischen Bewegung.

Schiffe mit klaren Formen

Die Basilika Santa Maria degli Angeli ist weithin sichtbar, charakteristisch ist der einzelne Glockenturm, der von der Kuppel überragt wird. Ein zweiter Turm wurde nie fertiggestellt. Der Innenraum gliedert sich in drei Schiffe mit klaren Formen. Bei einem Erdbeben im Jahr 1832 wurde die Kirche beschädigt, von dem italienischen Architekten Luigi Poletti jedoch in den Jahren 1836 bis 1840 wieder aufgebaut. Papst Pius X. erhob das Gotteshaus 1909 zur Basilica Maior. Zwei Mal, 1986 und 2002, fand hier das "Weltgebetstreffen für den Frieden" auf Einladung des Papstes statt.

Die kleine Portiunkula-Kirche im Inneren der Basilika wird erstmals im Jahr 1045 erwähnt und soll schon Jahrhunderte früher von Eremiten errichtet worden sein. Zu Zeiten des heiligen Franziskus (1181/82-1226) lag sie verfallen in einem Eichenwäldchen. Franziskus, der in Assisi als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers geboren wurde, führte in seiner Jugend ein ausschweifendes Leben und träumte von einem Dasein als Ritter. Als er im Jahr 1202 nach einem Gefecht gefangen genommen wurde, geriet sein Lebensentwurf ins Wanken.

In den folgenden Jahren zog er sich zurück und begab sich unter anderem auf eine Wallfahrt nach Rom. Bei einem Gebet in der verfallenen Kirche San Damaniano in Assisi vernahm er der Überlieferung zufolge die Stimme Gottes: "Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar verfallen ist." Franziskus begann nach Aussage seines ersten Biografen, Thomas von Celano (1185-1260), mit dem Wiederaufbau der Kapelle, sein früheres Leben gab er auf, lebte von nun an als Einsiedler in Armut und fand Gleichgesinnte.

Leben in Einfachheit

Nachdem er die Kirche von San Damiano wiedererrichtet hatte, hörte er laut Celano eines Tages in der kleinen Portiunkula-Kapelle das Evangelium von der Aussendung der Jünger und verstand den Text als Aufforderung, zu leben wie die Jünger Jesu. Er kleidete sich von nun an in eine einfache Kutte, verkündete das Evangelium und lehnte jeden Besitz ab. Im Jahr 1208 überließ der zuständige Abt von Monte Subasio Franziskus und seinen Gefährten, aus deren Gemeinschaft später der Franziskanerorden entstehen sollte, die Portiunkula-Kapelle - der Überlieferung zufolge gegen einen Korb Fische im Jahr.

Knapp 20 Jahre nachdem er in der Portiunkula-Kirche ein neues Leben begonnen hatte, sollte Franziskus zum Sterben hierher zurückkehren. Nach Angaben Celanos ließ er sich schwerkrank zu der Kapelle tragen und dort nackt auf den Boden legen. An dem Ort, an dem Franziskus starb, befindet sich die sogenannte Transituskapelle. Der Legende nach liegt hier das Herz des Heiligen begraben, während sein Leichnam in der Basilika San Francesco in Assisi ruht.

Der Kontrast zwischen den beiden Kapellen und der sie umgebenden päpstlichen Basilika ist groß. Besonders die kleine Portiunkula-Kapelle mit ihren farbigen Bildern wirkt innerhalb des riesigen Kirchenbaus, der täglich von unzähligen Touristen besucht wird, ein wenig wie ein Fremdkörper. Doch die Meinungen gehen auseinander. Während der italienische Schriftsteller Carlo Carretto mit den Worten zitiert wird: "Schade, dass ihr über dieser Armut und Kleinheit eine so große Kuppel aufgewuchtet habt", sehen andere die Kapelle geborgen in den Außenmauern der gewaltigen Basilika.


Quelle:
KNA