Filmexperte zum polnischen Film "Klerus" über Missbrauch

Aus der Story lernen

Ein Film spaltet Polen. Oder nicht? In "Klerus" geht es um Machtkämpfe und sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Die Kritik darin sei wichtig, doch eigentlich komme der Film zu spät, meint der Theologe und Filmexperte Marek Lis.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Der Film "Klerus" ist eine Abrechnung mit den Sünden der polnischen Kirche. Ein Priester soll ihn sogar Teufelswerk genannt haben. Wird der Film den Problemen um Missbrauch und Klerikalismus in der Kirche denn gerecht?

Pater Marek Lis (Katholischer Professor für Film und Theologie, früheres Jurymitglied bei den Filmfestspielen in Cannes): Der Film folgt einer sehr präzisen Methode des Regisseurs, Wojciech Smarzowski. Dargestellt sind drei Priester und ein Erzbischof, die für die Gesamtheit der Kirche stehen sollen. Aber diese drei sündigen Priester und der Erzbischof sind natürlich nicht die ganze Kirche Polens. Trotzdem, glaube ich, ist der Film sehr wichtig, weil er die Probleme in der Kirche Polens anspricht.

DOMRADIO.DE: Wie geht denn die katholische Kirche in Polen mit diesem Film um?

Lis: Vor der Premiere, im Juni oder Juli, habe ich versucht als Präsident des Katholischen Weltverbands für Kommunikation (SIGNIS) ein Treffen zu organisieren. Dabei haben wir dem Regisseur und dem Produzenten den Vorschlag gemacht: Wir nehmen den Film und die Intentionen des Regisseurs ernst und wollen deswegen Filmkritiker, Journalisten und auch Bischöfe einladen, um über den Film zu diskutieren. Der Regisseur, Wojciech Smarzowski, hatte in einem Interview gesagt, er wünsche sich eine bessere Kirche. Das haben wir als ein gutes Signal gedeutet. Doch der Produzent hat uns dann geantwortet, man habe eine andere Reaktion der Kirche erwartet und die Diskussion kam leider nicht zustande.

DOMRADIO.DE: Die Kirche hat also den Dialog mit dem Regisseur gesucht, aber der hat ihn verweigert und setzt eher auf Konfrontation, um Aufmerksamkeit für den Film zu generieren?

Lis: Ja, ich glaube, das ist der Grund dafür. Es gab auch eine sehr schöne Reaktion des Bischofs von Opole, Andrzej Czaja. Nachdem er den Film gesehen hatte, nahm er ihn zum Anlass, um im lokalen Diözesanradio Fragen zum Missbrauch und zur Rolle der Priester und der Kirche in der Gesellschaft zu diskutieren.

Es gab viele Reaktionen. Aber man muss wissen, dass die Kirche in Polen im Jahr 2011 Dokumente zum Missbrauch aufbereitet hat, die kurz darauf vom Vatikan zur Verfügung gestellt wurden. Die Kirche folgt jetzt seit mehreren Jahren sehr präzisen Normen und Regeln. Deswegen, glaube ich, dass der Film von Smarzowski ein wenig zu spät kommt.

DOMRADIO.DE: Trotzdem schlägt er ziemlich ein: Drei Millionen Besucher in Polen, und in Deutschland wird der Film ziemlich spitz diskutiert. Spaltet der Film wirklich so sehr die polnische Meinung, wie es den Anschein hat?

Lis: Ich nehme die Situation in Polen anders wahr. Meine Cousine hat mit mir beispielsweise gesprochen und sagte: "Weißt du, Marek, ich habe den Film gesehen. Die Probleme, von denen der Regisseur da spricht, kennen wir. Das ist leider keine Neuigkeit."

DOMRADIO.DE: Sie sagen, der Film spitzt etwas zu, thematisiert etwas, was in Polen schon längst bekannt ist. Was sagen Sie also den Leuten: Anschauen oder nicht anschauen?

Lis: Ich habe den Film gesehen, aber für mich war auch die Reaktion der Zuschauer wichtig. Die Atmosphäre war seriös. Deswegen glaube ich, dass der Film für die Leute eine wichtige Stimme ist – auch für gläubige Katholiken. Der sagt ihnen: Vorsicht, es gibt Sünden und als Kirche brauchen wir die Bekehrung. Smarzowski erinnert uns also daran, was wichtig ist. Und wenn man mich fragt, ob man den Film sehen soll, sage ich, ja, es lohnt sich.

DOMRADIO.DE: Aber trotzdem gibt es Teile der Kirche, die sagen, das sei Teufelswerk. Es gibt doch bestimmt Teile der katholischen Kirche, die davor warnen, oder?

Lis: Ja, aber Gott sei Dank gab es keine stärkeren Reaktionen darüber hinaus. Nicht mal im Radio Maryja (Anm. d. Red.: nationalkonservativer katholisch geprägter Radiosender in Polen). Ich glaube, dass auch Radio Maryja und unsere Bischöfe aus der Geschichte lernen.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Quelle:
DR