Migrantenkirche feiert 50-jähriges Bestehen des Bistums Reykjavik

"Ökumene liegt ihnen einfach im Blut"

Islands katholische Kirche gedenkt am Donnerstag der Gründung ihrer Hauptstadt-Diözese vor genau 50 Jahren. Sie ist zahlenmäßig stärker und multikultureller denn je. Ein Ortsbesuch.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Messe in der Kathedrale in Reykjavik / © Theresa Meier (Bonifatiuswerk)
Messe in der Kathedrale in Reykjavik / © Theresa Meier ( Bonifatiuswerk )

"In der Messe fühle ich mich ein bisschen wie zu Hause. Deshalb komme ich jeden Sonntag", sagt Tricia. Die 22-jährige Philippinerin lebt erst seit kurzem in Island. Die katholische Kirche ist für sie zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden. Sie erzählt davon beim Kaffeetrinken nach dem Gottesdienst, das die Katholiken hier auch als das "achte Sakrament" bezeichnen.

Viele von ihnen müssen weit fahren, um die Messe mitfeiern zu können. Umso mehr freuen sie sich darauf, sich danach im Gemeindezentrum austauschen zu können. Das Gebäude steht direkt neben der Christ-König-Kathedrale auf dem Hügel Landakot in Reykjavik, den die Leute den "kleinen Vatikan" nennen. Schließlich schlägt hier das katholische Herz – nicht nur der Hauptstadt, sondern des ganzen Landes.

Zuwachs durch Arbeitsmigranten

Angesichts der lutherischen Staatskirche Islands bilden die Katholiken eine kleine Minderheit von 3,5 Prozent. Dass sich ihre Zahl seit dem Jahr 2005 auf 13.000 mehr als verdoppelt hat, liegt an Arbeitsmigranten wie Tricia. Der starke Zuwachs speist sich fast ausschließlich aus der Zuwanderung aus katholischen Ländern.

"Erst kamen die Philippiner, dann die Polen, Litauer und Slowaken", erklärt der gebürtige Franzose Jakob Rolland, den die Isländer mit ihrem Wort für Priester liebevoll "Serà Jakob" nennen. Heute ist er Dekan der Diözese Reykjavik. Als diese vor 50 Jahren gegründet wurde, war er zwar noch nicht vor Ort, aber er lebt seit mittlerweile 34 Jahren in Island.

In seiner Anfangszeit gab es über die ganze Insel verteilt gerade einmal 1.000 Katholiken. Um sie zu besuchen legte Rolland tagelange Autofahrten auf schlechten Pisten zurück. Das ist lange her, und heute freut er sich über die "lebendigen Sonntagsmessen", zu denen viele Familien mit kleinen Kindern kommen.

"Dass sie meist noch unter sich bleiben, ist auch ein Sprachproblem!"

Die größte Herausforderung, sagt Jakob Rolland, liege nun darin, die verschiedenen nationalen Gruppen zusammen zu bringen: "Dass sie meist noch unter sich bleiben, ist auch ein Sprachproblem." Anders als die meisten seiner Amtsbrüder, unten denen übrigens kein einziger Alteingesessener ist, hat er Isländisch gelernt.

Viele Migranten schaffen das neben Arbeit und Familie erst einmal nicht und besuchen dann die Gottesdienste in ihrer Muttersprache, auf Polnisch oder Englisch. Die Hauptmesse am Sonntag ist auf Isländisch. Sie dient mit dem gemeinsamen Kaffee danach im Moment noch am ehesten als Treffpunkt über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg. "Wir müssen uns ständig etwas Neues einfallen lassen, um die Leute zusammen zu bringen", sagt der Pfarrer. Gut funktioniere bisher zum Beispiel die Fronleichnamsprozession.

Eine echte nationenübergreifende katholische Gemeinde, die alle anspricht und einschließt - sie bleibt erst einmal Zukunftsmusik. Die Hoffnung liegt aber auf den Kindern der Einwanderer. Sie lernen in der Schule alle Isländisch und Schätzungen zufolge bleiben 95 Prozent von ihnen wohl in Island. Dass sie als neue Generation zur wahren Gemeinschaft finden, ist eine Vision - nicht nur für die kleine katholische Diasporakirche, sondern auch für die isländische Gesellschaft als Ganzes.     

Integrationskraft der katholischen Kirche hoch angesehen

Staatsvertreter und Staatskirche würdigen schon seit längerem die Integrationskraft der katholischen Kirche. "Die katholischen Zuwanderer finden in ihrer Kirche wirklich ein Stück Heimat", sagt etwa Bischöfin Agnes Sigurdardottir. "Wir als Nation sollten der katholischen Kirche dankbar sein - für ihre konstruktive Rolle in der relativ harmonischen Integration derer, die in den vergangenen Jahrzehnte nach Island gekommen sind", formuliert es Olafur Ragnar Grimsson, der bis vor drei Jahren Präsident Islands war. Er hat das Land 20 Jahre geführt. Tatsächlich läuft das Miteinander der alten und neuen Isländer einigermaßen konfliktfrei; eine rechtspopulistische Partei konnte hier bisher nicht Fuß fassen.  

Übrigens sind die Isländer - katholische wie protestantische - sehr stolz darauf, wie ihre Insel christlich wurde: Per demokratischem Beschluss, nämlich im Jahr 1.000 nach Christus, an genau der Stelle, an der die Altisländer noch 70 Jahre zuvor mit dem "Althing" das erste Parlament der Welt einberufen hatten. Die Reformation im 16. Jahrhundert hingegen erlebten viele wohl eher als von außen durch Dänemark aufgezwungenen Konfessionswechsel. Schließlich war der dänische König den Isländern ein ausländischer Besatzer, der ihnen am Ende ihre Marien- und Heiligenverehrung nicht austreiben konnte. Weil die Isländer also innerlich nie wirklich mit dem Katholizismus gebrochen hätten, brächten viele ihm bis heute Sympathie entgegen, meint Jakob Rolland. "Die Ökumene liegt ihnen einfach im Blut."


Jakob Rolland, den die Isländer Serà Jakob nennen / © Theresa Meier (Bonifatiuswerk)
Jakob Rolland, den die Isländer Serà Jakob nennen / © Theresa Meier ( Bonifatiuswerk )

Im Kirchencafé tauschen sich die Gemeindemitglieder nach der Messe aus / © Theresa Meier (Bonifatiuswerk)
Im Kirchencafé tauschen sich die Gemeindemitglieder nach der Messe aus / © Theresa Meier ( Bonifatiuswerk )
Quelle:
DR