Weltweite Bischofssynode zu Missbrauch gefordert

Gesprächsbedarf in großer Runde?

Von einer "moralischen Katastrophe" spricht der Vorsitzende des US-Episkopats, Kardinal DiNardo. Er kündigte einen tiefgreifenden Reformplan bis November an. Der Bischof von Portsmouth fordert sogar eine weltweite Synode zu dem Thema.

Immer mehr Details zum Missbrauch in der Kirche kommen ans Licht / © Fabrice Caterini-Inediz (KNA)
Immer mehr Details zum Missbrauch in der Kirche kommen ans Licht / © Fabrice Caterini-Inediz ( KNA )

Vor dem Hintergrund der weltweiten Missbrauchsskandals schlägt der katholische Bischof von Portsmouth eine Bischofssynode der Weltkirche vor. Das Treffen solle sich mit dem Selbstverständnis von Priestern und Bischöfen befassen, schrieb Philip Egan (Mittwoch) in einem Brief an Papst Franziskus. Unter anderem regte er eine Supervision für Geistliche an. Zudem sollten diözesane Verhaltensstandards kirchenrechtlich vorgeschrieben werden.

Hintergrund des Vorschlags, den Egan auch im Internet veröffentlichte, ist der Aufruf von Papst Franziskus zu einer durchgreifenden Erneuerung der katholischen Kirche angesichts neu bekanntgewordener Skandale in Pennsylvania, Australien und Chile. Eine außerordentliche Bischofssynode müsste vom Papst einberufen werden.

Rückblick: Die Details im US-Missbrauchsskandal

Bischof David A. Zubik (68) von Pittsburgh und einige seiner Amtsbrüder hatten die Katholiken und die Öffentlichkeit bereits im Vorfeld auf den "niederschmetternden" Bericht vorbereitet. "Ich möchte, dass Sie wissen, dass unsere Diözese mit der Staatsanwaltschaft und der Untersuchungskommission zusammengearbeitet hat. Wir haben nicht versucht, den Bericht zu blockieren", schrieb Zubik in einer Erklärung.

Zum Wochenende forderten rund 140 Theologen und engagierte Laien "alle" Bischöfe auf, dem Papst ihren Rücktritt anzubieten. Der Umgang mit dem Missbrauch erfordere einen kollektiven "öffentlichen Akt der Reue und des Bedauerns".

Untersuchungsbericht mit 900 Seiten

Nach den Erkenntnissen der Ermittler von Generalstaatsanwalt Josh Shapiro (45), Mitglied der Demokraten, haben in Pennsylvania rund 300 katholische Priester in den vergangenen 70 Jahren sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung an mindestens 1.000 Kindern begangen. Wie aus dem von Shapiro vorige Woche mit Verspätung vorgelegten 900-seitigen Untersuchungsbericht eines Geschworenengremiums (Grand Jury) hervorgeht, sind die meisten Täter inzwischen verstorben und die Mehrzahl der Taten juristisch verjährt. Zwei Delikte wurden in den letzten zehn Jahren begangen.

Zuvor hatte das Oberste Gericht in Harrisburg 14 Personen, gegen die bisher keine Strafanzeige vorliegt, Recht gegeben, ihre Namen vor der Publikation des Berichts schwärzen zu lassen. Die Vorfälle betreffen sechs der acht Diözesen in Pennsylvania. Nachdem es im Erzbistum Philadelphia 2005 eine solche Untersuchung gab, recherchierte die Staatsanwaltschaft jetzt rund zwei Jahre lang in den Diözesen Harrisburg, Pittsburgh, Greensburg, Allentown, Scranton und Erie in dem katholisch geprägten US-Bundesstaat.

Priester sorgte für Abtreibung

Shapiro prangerte eine "jahrzehntelange Vertuschung" durch ranghohe Verantwortliche in der Kirche an. Zudem geht er, obwohl die Namenslisten lang sind, von einer hohen Dunkelziffer aus. Die meisten Opfer seien Jungen gewesen, viele noch nicht in der Pubertät. Die Täter hätten Alkohol und Pornografie eingesetzt; Kinder seien begrapscht oder vergewaltigt worden.

In einem Fall sei ein Mädchen schwanger geworden, und der Priester habe eine Abtreibung organisiert. Shapiro und der Bericht bescheinigen der Kirche aber auch, dass sich in den letzten 15 Jahren viel verändert habe. Die Diözesen hätten geholfen bei der Erarbeitung dieses umfassendsten Berichts zum Kindesmissbrauch, der jemals in den USA veröffentlicht worden sei.

Immer mehr Angeschuldigte

Die Anschuldigungen gegen Washingtons früheren Erzbischof Theodor E. McCarrick (88) wolle die Kirche, so der USCCB-Vorsitzende Kardinal Daniel DiNardo (Galveston-Houston), "mit all ihrer Autorität" verfolgen. Inzwischen gibt es auch Vorwürfe gegen den heutigen Hauptstadt-Erzbischof, Kardinal Donald W. Wuerl (77). Er soll als Bischof von Pittsburgh (1988-2006) Missbrauchsvorfälle vertuscht haben. Sein Name wird im Pennsylvania-Bericht mehr als 200 Mal genannt. Eine Internetseite, die Wuerl in Schutz nahm, hat das Erzbistum Washington nach Protesten wieder geschlossen.

Bischof Robert W. Gainer (70) von Harrisburg hat als eine erste Konsequenz angeordnet, die Namen von Würdenträgern und Priestern, die unter Missbrauchsverdacht stehen, aus allen Kirchen und kirchlichen Gebäuden zu entfernen. Dazu legte er eine Liste mit 71 Namen von Priestern, Seminaristen und Kirchenmitarbeitern vor. Auch das Bistum Pittsburgh will die Namen der Beschuldigten veröffentlichen. Noch 2017 hatten die Diözesen Harrisburg und Greensburg versucht, die Ermittlungen der Grand Jury zu beenden. 

Zeichen setzen reicht nicht mehr

Bei allen Beteuerungen – die US-Kirche, aber auch Papst Franziskus mit seine Null-Toleranz-Linie stehen unter großem öffentlichen Druck. Der Papst könnte schon in dieser Woche beim Weltfamilientag in Dublin ein Zeichen setzen, dass es ihm mit Opferschutz und Täterverfolgung ernst ist, wie der irische Premier Leo Varadka und Erzbischof Diarmuid Martin erhoffen. 

Die US-Bischöfe werden sich mit der Problematik und den von Kardinal DiNardo angekündigten Maßnahmen mit Vorrang während ihrer Vollversammlung im November befassen. Der USCCB-Vorsitzende will in naher Zukunft in den Vatikan reisen, um dort mit den zuständigen Stellen die gebotene Agenda zu erörtern.


Daniel Nicholas Kardinal DiNardo / © Paul Haring (KNA)
Daniel Nicholas Kardinal DiNardo / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA
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