Misereor-Geschäftsführer zum 60. Jubiläum

"Wir sind eine politische Organisation"

"Den Mächtigen der Erde ins Gewissen reden“: So lautet der Auftrag für das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR. In diesem Jahr feiert die Organisation ihren 60. Geburtstag. Wird das Hilfswerk seinem Auftrag gerecht?

60 Jahre Misereor  / © Rudolf Wichert (KNA)
60 Jahre Misereor / © Rudolf Wichert ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Kölner Kardinal Joseph Frings hat mit einer Rede am 19. August 1958, also gestern vor 60 Jahren, die Initialzündung für die Gründung von Misereor eingeleitet. Was war das entscheidende an dieser Rede, dass daraus die Organisation entstanden ist?

Thomas Antkowiak (MISEREOR-Geschäftsführer): Das Entscheidende war, dass der Kardinal einige Anregungen aufgenommen hat, die aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, aus Diözesen oder aus Verbänden kamen – also von Menschen, die gesagt haben: "Wir können jetzt, Ende der 50er Jahre, nachdem uns so viel nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen worden ist, unser Augenmerk auch wieder auf Hilfsbedürftige anderswo richten." Das hat er aufgegriffen und den Bischöfen ein Werk der Barmherzigkeit vorgeschlagen. Daraus ist Misereor entstanden.

DOMRADIO.DE: "Den Mächtigen der Erde ins Gewissen reden", das hat Kardinal Frings als Auftrag ausgegeben. Ist Misereor auch eine politische Organisation?

Antkowiak: Selbstverständlich, denn es ist nicht unpolitisch, wenn man den folgenden, dreifachen Auftrag hat: Es geht darum, den Armen und Bedürftigen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, hierzulande auch über Ursachen zu informieren und über Kampagnen dafür zu sorgen, dass diese ins Bewusstsein rücken und dann verändert werden. Und schließlich geht es auch darum, bei den Reichen und Mächtigen das Gewissen anzuregen und ihnen zum einen Möglichkeiten zu geben, sich selber zu informieren. Das machen wir etwa bis heute dadurch, dass wir Gäste, die wir als Partner bei uns begrüßen dürfen, mit Politikern in Berlin, also den Regierungsverantwortlichen und Menschen aus der Wirtschaft, zusammenbringen. So haben sie die Gelegenheit, direkt von den Betroffenen zu hören, wie die Situation in den Ländern ist. Das ist auch ein Stück weit Aufklärungsarbeit oder Lobbyarbeit.

DOMRADIO.DE: In knapp 3.000 laufenden Projekten in mehr als 90 Ländern will Misereor Hilfe zur Selbsthilfe geben. Warum ist genau dieses Prinzip so wichtig?

Antkowiak: Das ist wichtig, weil wir nicht – um es mal salopp zu sagen – mit dem offenen Porte­mon­naie rumlaufen und Geld verteilen. Wir knüpfen stattdessen bei den Ideen, Vorstellungen und Überlegungen der Menschen vor Ort an. Sie kommen mit ihren Vorstellungen und Vorhaben zu uns, und wir versuchen mit ihnen gemeinsam Wege zu finden, diese zu unterstützen. Das gelingt und passt nicht in jedem Fall. Aber im Sinne der Aufgabenstellung Misereors zu helfen – und zwar unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Weltanschauung – ist es wichtig, dass wir an den Fähigkeiten der Partner im Süden ansetzen.

DOMRADIO.DE: Wie feiern Sie denn dieses Jahr den 60sten von Misereor noch?

Antkowiak: Ein großes Tamtam gibt es nicht. Wir hatten ja in diesem Jahr schon die Eröffnung der Fastenaktion groß gefeiert, es gab einen Kongress "Entwicklung findet Stadt" und wir werden ein Familienfest veranstalten mit den Mitarbeitern. Und so begleiten uns das Jahr über mehrere Schritte bis zur nächsten Fastenaktion.

 

Quelle:
DR