Ordensmann Schnabel über das Verhältnis von Kirche und Medien

"Medien sind kein Megafon unserer Botschaft"

Vor 15 Jahren trat Nikodemus Schnabel in die Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem ein. Im Interview spricht der 39-Jährige über die Sprache der Kirche, die Lage in Nahost - und verrät, warum Putzen für ihn beruhigend ist.

Autor/in:
Sabine Just und Paula Konersmann
Pater Nikodemus Schnabel / © Stefanie Järkel (dpa)
Pater Nikodemus Schnabel / © Stefanie Järkel ( dpa )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Sie haben soeben an einem Medientraining der Deutsche-Welle-Akademie zum Thema "Religion und Medien" teilgenommen. Sind Sie als Pressesprecher nicht ohnehin Medienprofi?

Pater Nikodemus Schnabel (Bruder in der Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem): Nun ja, Anlass zur Selbstkritik gibt es schon. Wir Kirchenleute wünschen uns manchmal, dass die Medien in unserem Sinne berichten. Der Job von Journalisten ist es aber, auch einmal kritisch nachzufragen - darauf reagieren wir manchmal pikiert und sagen, die Medien sind gegen uns. Da sollten wir Religionsvertreter uns fragen, ob wir die Medien nicht ein wenig missverstehen. Sie sind kein Megafon unserer Botschaft, sondern wollen Dinge verstehen und erklären.

KNA: Bisweilen hat man den Eindruck, dass Kirchen- und Medienvertreter einander nicht verstehen...

Schnabel: Das ist ein weiterer Punkt: Ich glaube, wir müssen an unserer Sprache arbeiten. Als Theologen und Kirchenleute haben wir eine sehr ausgefeilte Sprache, die auch richtig ist - aber oft unverständlich. Begriffe wie Erlösung oder Gnade sind richtige, zentrale Begriffe, aber sind die noch gefüllt? Wir benutzen gerne drei theologische Begriffe in einem Satz - und müssen uns fragen, ob wir die Leute damit noch mitnehmen und erreichen.

KNA: Wie könnte sich das ändern?

Schnabel: Ich sehe zwei "Lager" in der kirchlichen Medienlandschaft. Manche probieren Dinge aus nach dem Motto "komm, wir schauen mal" - auch auf die Gefahr hin, dass manche die Nase rümpfen und sich fragen, ob ein Mönch, ein Priester, eine Nonne das so machen oder sagen sollte. Andererseits sehe ich Leute mit einer gewissen Ängstlichkeit - manchmal auch der berechtigen Frage, ob Angebote zu anbiedernd sind. Ich denke, sich in diesem Punkt auch einmal schmutzig machen, ist durchaus im Sinne von Papst Franziskus. Er sagt ja, wir sollen an die Ränder gehen, und dass ihm eine verbeulte Kirche lieber ist als eine, die an ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krankt.

KNA: Und auf Seiten der weltlichen Medien?

Schnabel: In vielen säkularen Medien gibt es eine mangelnde Kompetenz im Umgang mit Religion. Wenn Sportjournalisten mit so wenig Kompetenz arbeiten würden - ich glaube, die würde man durchs Dorf jagen. Sie müssen Spieler, Trainer und Strategien selbstverständlich kennen. Bei religiösen Themen habe ich dagegen das Gefühl, es gehört zum guten Ton, nicht genau Bescheid zu wissen. Da wird gerne vergröbert. Aber auch Religion ist ein Thema, in das man sich einarbeiten muss.

KNA: Themenwechsel: Die Reisezeit ist da. Bedeutet das auch, Ausnahmezustand in Jerusalem?

Schnabel: In Jerusalem ist das Außergewöhnliche normal. Der Papst, US-Präsident Donald Trump und EU-Politiker geben sich dort die Klinke in die Hand. An guten Tagen besuchen 5.000 Pilger unsere Abtei, und wir führen viele Gespräche. Es vibriert immer alles. Das Skurrile ist tatsächlich, in dieser Atmosphäre sein Zimmer zu putzen oder Wäsche zu waschen. Man lebt ständig wie auf dem Vulkan, im Ausnahmezustand - und dann stellt man fest, gerade wird draußen die Weltgeschichte umgeschrieben, und ich putze mein Zimmer. Das ist sehr wohltuend, denn in Jerusalem ist der Alltag eine Herausforderung.

KNA: Als nahezu unlösbare Herausforderung erscheint vielen Menschen der Nahost-Konflikt. Was können Religionsgruppen bewegen?

Schnabel: Es sind die augenscheinlich kleinen Dinge. Zum Beispiel stauen wir in einem natürlichen Pool warme Quellen, die direkt in Tabgha entspringen. Dort sollen die Menschen, die im Nahost-Konflikt besonders leiden, beispielsweise Menschen mit Behinderung, einmal durchschnaufen können. An diesem Platz treffen oft israelische mit palästinensischen Behindertengruppen zusammen. Wer zynisch geworden ist und nur noch bitter auf den Nahen Osten schauen kann, sollte eine Stunde mit diesen Gruppen verbringen.

KNA: Inwiefern?

Schnabel: Diese sogenannten Behinderten sind für mich die allerunbehindertsten Menschen. Sie denken nicht in Schubladen, fragen nicht, ist jemand Israeli oder Palästinenser, ist er Jude, Christ oder Moslem. Sie sehen den anderen Menschen und wissen, wenn ich den anderen umarme, tut es ihm und mir gut - und wenn ich den anderen schlage, tut es ihm weh, wie es mir wehtut, geschlagen zu werden. Wenn alle Menschen so wären wie diese Behinderten, dann hätten wir Weltfrieden.


Quelle:
KNA