Amerikaner zelebrieren Unabhängigkeitstag mit Wettessen

Der Todsünde Völlerei zum Trotz

In den USA wird am 4. Juli der Unabhängigkeitstag gefeiert. Dass zum Feiern auch Essen und Trinken dazu gehört, kennt man. Die Amerikaner mögen es aber bombastischer und veranstalten landesweit Wettessen – wider der Todsünde Völlerei.

Hotdog-Wettessen in den USA / © Peter Foley (dpa)
Hotdog-Wettessen in den USA / © Peter Foley ( dpa )

DOMRADIO.DE: Unfassbare 72 Hotdogs hat ein Gewinner bei einem Wettessen im letzten Jahr in zehn Minuten in sich reingestopft. Das hat wenig mit Essen zu tun. Warum ist dieser Wettkampf dennoch so beliebt?

Dr. Michael Hertl (Pressesprecher und Leiter des Referats Kommunikation im Erzbistum Freiburg und USA-Kenner): In erster Linie weil es ein Wettkampf ist. Die Amerikaner sind ein sehr sportbegeistertes, wettkampfbegeistertes Volk. Gewinnen ist super und wichtig. Da ist es erst mal zweitrangig, bei was man eigentlich gewonnen hat.

DOMRADIO.DE: Da kann man auch schon mal 72 Hotdogs in sich hineinstopfen?

Hertl: Ja, alles Mögliche: Hotdogs, Hamburger, Pizza, Brötchen und was es alles gibt, was irgendwie weich ist und was man gut schlucken kann. Da gibt es eine ganze Menge.

Es gibt sogar eine eigene Liga für diese Speed-Eatings, wo ganz verschiedene Wettbewerbe zusammengefasst werden.

DOMRADIO.DE: Sie waren schon oft in den USA, kennen Land und Leute. Wie passt die Todsünde Völlerei zum Unabhängigkeitstag der USA?

Hertl: Der Unabhängigkeitstag an sich ist kein religiös geprägter Tag. Es ist ein nationaler Feiertag. Da geht es auch um das "Größer" und "Besser" und wir, die USA, sind ein tolles Land. "Amerika first", kann man fast sagen.

Das heißt, da spielt Religion erst mal per se überhaupt keine Rolle. Da gehören das Barbecue und Essen einfach dazu. Insofern ist es nicht ganz falsch, von diesem Prinzip her da auch Wettessen zu veranstalten.

DOMRADIO.DE: Diese Barbecues finden dann auch in den kirchlichen Gemeinden statt?

Hertl: Durchaus. Da ist man sich dann einig, egal in welchem Verein, welcher Institution. Auch bei den Kirchen wird dieser Tag mit Barbecues gefeiert.

DOMRADIO.DE: Auf der einen Seite gibt es diese landesweiten Wettbewerbe im Schnellessen. Andererseits haben die USA ein Gewichtsproblem. Viele Bürger gelten als adipös, als fettleibig. Haben die Menschen dort ein gestörtes Verhältnis zum Essen oder ist das nur unser vorurteilsgeprägter Blick auf das Land?

Hertl: Ich würde das nicht unbedingt zusammenbringen. Klar, man gibt ein schlechtes Beispiel, wenn man das Essen so in den Vordergrund stellt. Aber tatsächlich sind viele der Teilnehmer bei diesen Wettbewerben gar nicht mal besonders adipös. So blöd es klingt, aber es sind tatsächlich "Sportler", die dafür trainieren. Die haben gar nicht mal Gewichtsprobleme.

Wenn man das sieht - und es gibt das Problem des Übergewichts - dann kann man sagen, das sei ein schlechtes Beispiel, wenn man das Essen so in den Vordergrund stellt. Aber diese Wettbewerbe haben mit dem Problem der Fettleibigkeit direkt nichts zu tun. Der Ansporn dazu kommt eher aus dem Marketing, aus dem Wettkampfgedanken und nicht in erster Linie aus dem Völlereigedanken.

DOMRADIO.DE: Das Land ist evangelikal geprägt. Die katholische Kirche wächst vor allem durch die Zuwanderer aus dem Süden. Gibt es denn Versuche der Kirchen, diese Ess-Wettbewerbe einzuschränken oder wie stehen die religiösen Führer in den USA zu diesem "Sport"?

Hertl: Von den Bischöfen habe ich in diesem Zusammenhang noch nichts gehört. Es gibt sicher Aufrufe zu sagen: "Denkt auch mal an diejenigen, die eher zu wenig zu essen haben, bevor ihr das Essen so feiert."

Ich kann jetzt keinen konkreten Fall benennen, aber ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass als Ausgleich dazu auch mal für wohltätige Organisationen spendet. Tatsächlich habe ich von kirchlicher Seite noch keine explizite Kritik an diesen Wettbewerben gehört. Ich glaube auch deswegen, weil das einfach wirklich als Kuriosität gesehen wird und man sich selbst auch mit diesen Wettbewerben nicht so ernst nimmt.

Wenn es ums Essen geht, sind wir Deutschen ein bisschen kritisch und sagen: "Mit Essen spielt man nicht." Aber tatsächlich stehen der Wettbewerbsgedanke und das Kuriose dann so im Vordergrund, dass man es nicht in diese Richtung drehen kann, die wir normalerweise sehen würden.

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.

 

USA-Kenner und Journalist Michael Hertl (privat)
USA-Kenner und Journalist Michael Hertl / ( privat )
Quelle:
DR