Frauen leiten Kulturwandel in protestantischem US-Verband ein

Aufruhr bei den Southern Baptists

Die größte protestantische Konfession der USA, die Southern Baptists, befürwortete jahrzehntelang eine Unterordnung der Frauen. Doch ausgerechnet sie räumen nun mit sexuellem Missbrauch in ihrer Glaubensgemeinschaft auf.

Katholische Kirche Saint Jude in Florida / © Rainer Nolte (KNA)
Katholische Kirche Saint Jude in Florida / © Rainer Nolte ( KNA )

Das Jahrestreffen der Southern Baptist Convention in dieser Woche wird in die Geschichte des US-Verbandes eingehen. In Dallas (Texas) verabschiedeten die rund 9.000 Delegierten eine Resolution, die das unangenehme Thema des sexuellen Missbrauchs in den eigenen Reihen aufgreift. Darin wird auch die Rolle der Frau neu ausgerichtet.

Kaum etwas hat die Baptistinnen so sehr mobilisiert wie der Skandal um den langjährigen Präsidenten der 15 Millionen Mitglieder starken Vereinigung, Paige Patterson (75). Ein im Frühjahr an die Öffentlichkeit gelangtes Video zeigte, wie er einer misshandelten Frau riet, zu ihrem Mann zurückzukehren und ihm zu verzeihen. Hinzu kamen zahlreiche sexistische Äußerungen in den vergangenen Jahren.

Die Doppelmoral

Die Patterson-Affäre ließ mehr als 3.300 Frauen aus der konservativen Glaubensgruppe lautstark den Rücktritt des Präsidenten fordern. Ihrem Druck konnte er am Ende nicht mehr standhalten und trat zurück.

Dass die Stimmung auf dem Jahrestreffen der Baptisten explosiv sein würde, hatten Beobachter erwartet. Zu Recht, wie sich in Dallas herausstellen sollte. Die Doppelmoral ihres gestürzten Anführers, einer mächtigen Ikone im evangelikalen Lager, brachte weitreichende Folgen mit sich. Inzwischen ist eine Grundsatzdebatte über moralische Werte und die Rolle der Frau in Kirche und Familie entbrannt.

Getragen wird die Reformbewegung von den Jüngeren und den Frauen. "Wir bekennen, dass Missbrauch die Ehe entehrt und damit die Beziehung zwischen Christus und der Kirche verhöhnt", heißt es in der Resolution von Dallas. Die "Würde und der Wert der Frauen" seien unantastbar.

Schaltstellen mit Gleichgesinnten

Insider aus den Reihen der Southern Baptists, wie John Schultz, halten die Demission des lange unumstrittenen Patterson für einen Sieg der Reformer. Diese stellten den Status quo innerhalb der Gruppe infrage. Es gehe um den Widerstand gegen überkommene Ansichten. Für solch althergebrachtes Denken stand Pattersons Kurs. Wie kaum ein Zweiter führte er die Southern Baptists in einen Kulturkampf mit dem säkularen Amerika und allem, was als "liberal" gilt. Der Baptisten-Präsident beharrte auch auf einem traditionellen Rollenverständnis. Dazu gehört bis heute die Unterordnung der Frauen unter die Männer.

Patterson besetzte konsequent alle wichtigen Schaltstellen der Southern Baptists mit Gleichgesinnten. Wer den Kurs nicht mittrug, machte sich verdächtig und geriet ins Visier des Anführers. Frauen wurde unter seiner Leitung ein Platz am Rand zugewiesen, obwohl sie 55 Prozent der Mitglieder stellen.

"Weniger Zeit für die Kulturkriege"

Doch nun steht die größte protestantische Konfession der Vereinigten Staaten vor einem Generationenwechsel. "Jede Bewegung, die mehr rückwärtsgewandt als vorausschauend ist, hat die Stabilität eines Kartenhauses", beschreibt die Baptistin und Wissenschaftlerin an der Liberty University in Virginia, Karen Swallow Prior, die Veränderung.

Ihrer Ansicht nach hätte die Führungsebene "weniger Zeit für die Kulturkriege" und mehr Energie für den Aufbau einer eigenen biblisch-christlichen Bewegung aufbringen sollen. Nach Pattersons Sturz stehen die Zeichen nun auf Wandel. Im Zentrum dieses Prozesses: die Rolle der Frau. In der Resolution von Dallas stellen die Baptisten zwar nicht infrage, dass Frauen in Kirche und Familie andere Rollen einnehmen als ihre Männer. Aber es wird ausdrücklich betont, dass beide Geschlechter vor Gott gleich seien.


Quelle:
KNA