Salesianer helfen ehemaligen Kindersoldaten in Kolumbien

"In Gesellschaft eingliedern"

Weltweit gibt es 250.000 Kindersoldaten. In Kolumbien kümmert sich der Orden der Salesianer Don Bosco um Kinder, die bei Rebellengruppen gekämpft habe - und versucht sie auf ein Leben danach vorzubereiten.

Autor/in:
Maren Breitling
Ehemalige Kindersoldaten aus Kolumbien / © Melanie Pies (KNA)
Ehemalige Kindersoldaten aus Kolumbien / © Melanie Pies ( KNA )

Nach Misshandlungen, Verbrennungen, Verletzungen durch Minen, mit gesundheitlichen Probleme durch Tropenkrankheiten und vor allem traumatisiert – so kommen Jugendliche in Medellin in einer Einrichtung für ehemalige Kindersoldaten an. Die Salesianer Don Bosco kümmern sich um die verstörten Kinder und bereiten sie auf ein Leben danach vor.

"Ziel des Projekts ist es, die Kinder und Jugendlichen wieder in die Gesellschaft und damit in die Arbeitswelt einzugliedern", sagt Rafael Bejarano. Er ist Pater bei den Salesianern und Direktor der "Ciudad Don Bosco" in der kolumbianischen Stadt Medellin. Rund 1.200 Kinder und Jugendliche leben in der Ciudad, davon 120 ehemalige Kindersoldaten.

Betroffene: "Ich habe mich als Last für meine Familie wahrgenommen"

Mehr als 250.000 Minderjährige werden weltweit laut Kinderhilfswerk terre des hommes als Kindersoldaten missbraucht. "Die Zeit in der bewaffneten Gruppe ist etwas, das man nie vergessen, aber überwinden kann," sagt die ehemalige Kindersoldatin Claudia. Ihr Name wurde zu ihrem Schutz geändert. Sie kam mit psychologischen Problemen in die Einrichtung und lebt seit drei Jahren dort.

Claudias Heimatort war von Gewalt geprägt. In ländlichen Regionen sind die Guerillas aktiv und kommen zu den Familien, wie Claudia erzählt. Für ihren Vater sei es sehr schwierig gewesen, die Familie zu versorgen. "Ich habe mich als Last für meine Familie wahrgenommen", erklärt Claudia.

Mit 16 Jahren schloss sie sich freiwillig einer Rebellengruppe an. Sie habe sich immer gewünscht, zur Schule zu gehen, eine Ausbildung zu machen und zu studieren. "Dann war ich mit dem Problem konfrontiert, dass ich wegen der finanziellen Lage meiner Familie nicht studieren konnte und deswegen suchte ich mir andere Wege."

Bei den Guerillas gab es viele Formen der Gewalt

"Ich habe nicht gewusst, worauf ich mich einlasse", erzählt sie. Der Alltag in den Gruppen ist laut Claudia unterschiedlich. Als erstes lernte sie den Umgang mit Waffen und trainierte, sich geschützt am Boden zu bewegen, wie sie erzählt. Dann kam es zu Konfrontationen mit dem Militär. "Da hatte man Angst und wusste nicht, wer einem gegenübersteht. Hat die andere Person vielleicht Familie?"

Es gab bei den Guerillas alle möglichen Formen der Gewalt, auch sexuelle Gewalt. Claudia hatte Glück, denn sie kannte jemanden, der sie beschützen konnte, wie sie erzählt. "Ich war besser dran." Andere Mädchen waren gezwungen eine sexuelle Beziehung mit den Guerillas einzugehen.

Ein Jahr und drei Monate lebte sie bei der Rebellengruppe, bis sie bei einer Erledigung in der Stadt vom Militär aufgegriffen wurde. Darüber kam sie zum Jugendamt und anschließend zur Ciudad. "Es gibt nur zwei Wege weg von den Rebellen. Entweder das Militär greift die Kindersoldaten auf oder sie entscheiden sich selbst zu fliehen – das ist sehr gefährlich", erklärt Bejarano.

Helferin: "Die Kinder müssen lernen, wieder zu vertrauen"

Olga Cecilia Garcia Florez, Koordinatorin des Kindersoldatenprojekts, erläutert die Vorgehensweise der Ciudad: "Die Kinder müssen lernen, wieder zu vertrauen." Wichtig sei außerdem der Kontakt zu den Eltern. In dreieinhalb Jahren erhalten die ehemaligen Kindersoldaten in der Einrichtung eine Ausbildung, beispielsweise als Friseur oder Metallbauer. "Alle sind freiwillig hier und deswegen schließen wirklich alle ihre Ausbildung ab", erklärt Florez.

In Kolumbien herrscht seit 50 Jahren Bürgerkrieg. Durch den historischen Friedensvertrag Ende 2016 zwischen den Rebellen und der Regierung habe sich die Arbeit für die Einrichtung aber deutlich vereinfacht. "Die Integration der Jugendlichen in Firmen ist besser, weil es jetzt Gesetze gibt, die das Vorhaben vereinfachen", erklärt Bejarano.

Auch Claudias Bruder war in der Rebellengruppe, doch sie sahen sich dort nicht, weil sie in unterschiedlichen Einheiten waren. "Ich wusste nicht, dass mein Bruder vom Militär festgenommen wurde", erzählt Claudia. Sie trafen sich zufällig bei einer Veranstaltung für ehemalige Kindersoldaten. "Wir kamen gemeinsam in die Ciudad. Das machte es einfacher für uns, weil wir nicht allein waren." Nun will Claudia die Chancen nutzen, die sie in Medellin hat. "Ich will mit meinem Stipendium den Abschluss meines Studiums machen", sagt sie. "Und ich will andere Länder kennenlernen."


Quelle:
KNA