Integration von zugewanderten Christen fördern

"Die Seele nachkommen lassen"

Katholiken und Protestanten haben im Reformationsjahr die "Einheit in Verschiedenheit" betont. Weniger bekannt sind vielen in Deutschland die Christen aus Ostkirchen. Das könnte sich ändern - auch durch die Flüchtlinge.

Betende Christen aus Mossul / © Amel Pain (dpa)
Betende Christen aus Mossul / © Amel Pain ( dpa )

Strenges Fasten, stundenlange Gottesdienste - aber auch vielfältige Rituale, besondere Gesänge und Ikonen: So sehen die gängigen Vorstellungen von den sogenannten Ostkirchen aus. Für deren Angehörige in Deutschland ist es nicht immer einfach, die eigenen Riten zu erhalten. Zugleich sehen Experten im Austausch mit Christen aus dem Orient auch eine Chance für die Kirche hierzulande.

Steigende Anzahl von Christen aus Ostkirchen

3,5 Millionen katholische Ausländer leben in Deutschland; es gibt 323 ausländische Gemeinden. Die Zahl der Flüchtlinge aus der mit Rom verbundenen katholischen Kirche bewegt sich nach Einschätzung von Stefan Schohe im fünfstelligen Bereich. Der Nationaldirektor für die Ausländerseelsorge bei der Deutschen Bischofskonferenz erklärt, es gebe derzeit keine Möglichkeit festzustellen, wie viele Angehörige einer "fremden" Konfession genau hier leben. Wer sich nicht aktiv meldet, etwa bei bestehenden Gemeinden oder Flüchtlingskoordinatoren, wird in keiner Statistik erfasst.

Allein 2015 könnten laut Bischofskonferenz bis zu 200.000 Christen aus dem Orient nach Deutschland gekommen sein. Die große Mehrheit von ihnen gehört einer orthodoxen Kirche an, aber auch die Zahl der Katholiken aus einer mit Rom unierten Ostkirche steigt durch Fluchtbewegungen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus afrikanischen Ländern. Beim Einwohnermeldeamt kann man aber nur zwischen den Konfessionen "evangelisch" und "römisch-katholisch" wählen, so Schohe: "Wir denken oft, katholisch ist gleich katholisch. Dabei gibt es innerhalb dieser Konfession eine große Vielfalt."

Wie Ökumene organisieren?

Schätzungsweise 10.000 Chaldäer, 8.000 maronitische Christen und 30.000 Angehörige der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche leben in Deutschland - und das sind nur einige der betroffenen Gruppen. Das Kirchenrecht der Ostkirchen wirkt sich beispielsweise auf die praktische Seelsorge aus; je nach Größe der Gemeinden stellen sich Fragen nach Kirchenräumen, eines Tages möglicherweise nach eigenem Religionsunterricht. Die Bedeutung des Themas wächst, sagt Johannes Oeldemann. Der katholische Theologe ist Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn und berät die Ökumenekommission der Bischofskonferenz.

Für den einzelnen Gläubigen sei es zunächst einmal gut, wenn etwa Gotttesdienste auf Arabisch angeboten würden, so Oeldemann, der zugleich für "pragmatische Lösungen" plädiert. Zumal die christlichen Minderheiten meist kein Geld hätten für eigene Kirchenräume. Die römisch-katholischen Kirchen aber, in denen sie oft Gastrecht genießen, sind für ihre Riten in der Regel nicht ausgestattet. "Dabei könnten diese Gemeinden einmal eine Art Brücke zu den nicht-katholischen Ostkirchen bilden - und unsere Spiritualität bereichern", betont Oeldemann.

Passende Angebote der Seelsorge schaffen

Die klassischen Missionen, die einst für die sogenannten Gastarbeiter aufgebaut wurden, werden der neuen Herausforderung jedenfalls nicht mehr gerecht. "Es gibt ohnehin nur wenige Seelsorger, die Arabisch sprechen", stellt Schohe nüchtern fest. Auch unterschieden sich die Riten jener, die dieselbe Muttersprache sprechen, aber verschiedenen Kirchen angehören, teils erheblich.

In der Bischofskonferenz findet das Thema ganz oben Gehör. Seit Jahresbeginn ist der Paderborner Weihbischof Dominicus Meier Beauftragter für die Gläubigen der mit Rom verbundenen Ostkirchen. Der Flüchtlingsbeauftragte, Erzbischof Stefan Heße, betont die besondere Verantwortung, für Christen aus dem Orient eine angemessene Seelsorge anzubieten. Auch wenn dies große neue Herausforderungen mit sich bringe. Jeder Ortsbischof sei jedoch dafür zuständig, passende Angebote zu schaffen. Denn: Für christliche Flüchtlinge, so Heße, sei es "ein großer Trost, in der Fremde Gottesdienste in ihrer Muttersprache und in dem ihnen vertrauten Ritus feiern zu können und Zugang zu den Sakramenten zu haben".

Das sieht Schohe ähnlich. Integration vollziehe sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Kinder, die eine Schule besuchen, integrierten sich beispielsweise schneller als ihre Eltern, die vielleicht nicht sofort einen Job fänden, beobachtet Schohe: "Die Kirche kann für sie ein Raum sein, die Seele nachkommen zu lassen."

Paula Konersmann


Dr. Johannes Oeldemann / © Möhler-Institut
Dr. Johannes Oeldemann / © Möhler-Institut

Erzbischof Stefan Heße, Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (m.), spricht beim Besuch in einem inoffiziellen Flüchtlingscamp in der libanesischen Stadt Jdita mit einem syrischen Flüchtling (l.). Eine Caritas-Mitarbeiterin übersetzt. (KNA)
Erzbischof Stefan Heße, Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (m.), spricht beim Besuch in einem inoffiziellen Flüchtlingscamp in der libanesischen Stadt Jdita mit einem syrischen Flüchtling (l.). Eine Caritas-Mitarbeiterin übersetzt. / ( KNA )
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KNA