World Vision zu den Rettungs- und Bergungsarbeiten in Mexiko

"Noch ist die Hoffnung da"

Vor allem die Millionenmetropole Mexiko-Stadt ist vom Erdbeben schwer getroffen. Mit bloßen Händen graben die Menschen nach Verschütteten, sagt Dirk Bathe vom christlichen Hilfswerk World Vision im Interview.

Erdbeben in Mexiko: Ein Vater hält seine weinende Tochter / © Valente Rosas (dpa)
Erdbeben in Mexiko: Ein Vater hält seine weinende Tochter / © Valente Rosas ( dpa )

domradio.de: Wie ist die Situation im Katastrophengebiet?

Dirk Bathe (Hilfswerk World Vision): Am Morgen sind die Aufräumarbeiten langsam wieder angelaufen. Während der Nacht konnte natürlich an den Räumungsarbeiten nicht viel getan werden, schon gar nicht schweres Gerät eingesetzt werden. Aber die Menschen haben jetzt wieder angefangen, Trümmer beiseite zu räumen. Mit den Händen graben sie nach Verschütteten, bilden Menschenketten, um die Trümmer möglichst effizient wegräumen zu können. Einige von diesen Gruppen werden von unseren Kollegen, die im Katastrophenschutz ausgebildet sind, organisiert und angeleitet. Und dabei versuchen alle natürlich, möglichst viele Menschen zu retten.

domradio.de: Wie groß ist denn die Hoffnung, noch Überlebende zu finden?

Bathe: Noch ist sie relativ groß. Wenn jemand unter Trümmern liegt und nicht sehr schwer verletzt ist, dann hat er noch eine ganz gute Chance zu überleben - sofern er oder sie schnell genug gefunden wird, um die Dehydration zu verhindern. Man muss aber sagen, es sind Häuser eingestürzt, die zwei, drei oder noch mehr Stockwerke hatten. Unter diesen Trümmern werden wir sicherlich noch weitere Tote finden.

domradio.de: Wie genau können denn Ihre Mitarbeiter vor Ort helfen?

Bathe: Zum einen können sie das tun, was viele Mexikaner auch tun.Das heißt: ihren eigenen Nachbarn helfen, sich solidarisch zeigen und an den Arbeiten beteiligen. Wenn sie bestimmte Kompetenzen haben, dann ist es gut, wenn sie die auch einsetzen können. Zum anderen bereiten wir einen Hilfseinsatz vor. Wir haben Lager weltweit, aber auch in Mexiko, wo wir Hilfsgüter gelagert haben und jetzt verteilen werden. Wir werden zum Beispiel dicke Folien verteilen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, Zelte zu bauen, damit sie aus der Obdachlosigkeit rauskommen. Aber auch so Dinge wie Wasser, Nahrung oder Decken, damit die Menschen nicht frieren.

domradio.de: Sie haben die Solidarität angesprochen. Die scheint sehr groß zu sein vor Ort, stimmt das?

Bathe: Die ist sehr groß. Das muss man ganz ehrlich sagen. Unsere Kollegen sind ja auch selber betroffen von dem Erdbeben und konnten sich zum Teil gerade noch aus beschädigten Häusern retten. Diese Kollegen haben uns berichtet, dass sie auf die Straße gegangen sind bei dem Erdbeben und von Menschen in Panik umringt wurden - hunderte Menschen in einer Straße, die alle nur schrien und weinten. Aber das hat sich relativ schnell gelegt. Natürlich haben die Menschen noch Angst vor Nachbeben und sind auch emotional aufgewühlt. Sie haben sich aber schnell organisiert und versucht, den Menschen zu helfen, die sich nicht mehr selber helfen konnten.

domradio.de: Die erste Nothilfe ist das eine, aber in zwei, drei Monaten ist das Thema noch nicht vorbei. Wie kann World Vision denn da auch mittelfristig helfen?

Bathe: Mittelfristig können wir sehr eng mit der Regierung zusammenarbeiten und unsere Hilfe koordinieren. Die wird auch mittelfristig notwendig sein. Denn es wird gar nicht möglich sein, die Nothilfe so schnell abzustellen mit dem Wissen, dass den Menschen schon nichts passiert. Das wird nicht passieren. So schnell können sie keine Häuser aufbauen. Aber wir werden auch darauf drängen und tun das auch schon gemeinsam mit den lokalen Behörden, dass zum Beispiel bestimmte Bauvorschriften geändert und verschärft werden. Dass mehr in Stadtteile investiert wird, die bislang bei den Infrastrukturmaßnahmen schlechter abgeschnitten haben, weil es ärmere Stadtteile sind. Das ist ein Problem, das sehr häufig auftritt, dass gerade diese Stadtteile infrastrukturell vernachlässigt werden und dann ganz besonders hart getroffen werden bei Erdbeben, Überschwemmungen, Hurrikans und anderen Naturkatastrophen.

Das Gespräch führte Martin Mölder.


Rettungskräfte und Freiwillige suchen nach Überlebenden / © Luis Cortes (dpa)
Rettungskräfte und Freiwillige suchen nach Überlebenden / © Luis Cortes ( dpa )

Ein Mann, der nach dem Erdbeben inmitten der Trümmer eines Gebäudes liegt, wird mit Trinkwasser versorgt / © Pablo Ramos (dpa)
Ein Mann, der nach dem Erdbeben inmitten der Trümmer eines Gebäudes liegt, wird mit Trinkwasser versorgt / © Pablo Ramos ( dpa )
Quelle:
DR