Evangelischer Pfarrer über die Folgen des Hurrikan

Nach dem Wind kommt das Wasser

Hurrikan "Irma" hat Florida getroffen. Die Millionenmetropole Miami liegt verlassen unter zwei Meter hohem Meerwasser. Der evangelische Pfarrer Frank Kopania harrt in Miami aus und befürchtet, das Schlimmste noch vor sich zu haben.

Überflutungen in Miami / © Wilfredo Lee (dpa)
Überflutungen in Miami / © Wilfredo Lee ( dpa )

domradio.de: Wie geht es ihrer Familie in Miami?

Frank Kopania (Evangelischer Pfarrer in Miami): Meiner Familie geht es gut. Mein Sohn und meine Tochter sind schon vor einigen Tagen Richtung Orlando evakuiert worden. Auch viele aus der evangelischen Kirchengemeinde, vor allem viele Kirchenvorsteher mit kleineren Kindern sind in den Norden evakuiert worden. Aber auch meiner Frau geht es gut. Sie ist Ranger im Everglades Nationalpark und ist etwas antizyklisch gegen den Strom und gegen den Sturm gefahren. Im Nationalpark sind sie als Sicherheits- und Außenposten in einer abgesicherten Unterkunft untergebracht gewesen. Außerdem waren sie mit Funk und GPS-Satellitentelefon ausgestattet, sowie mit Generator und Motorbooten.

domradio.de: Wie ist der aktuelle Stand in Miami?

Kopania: Miami, eine Millionenmetropole mit über drei Millionen Menschen, ist aktuell menschenleer. In der Innenstadt, also in Downtown, steht fast flächendeckend circa anderthalb bis zwei Meter Meerwasser. Die Wasserversorgung über Wasserleitungen funktioniert noch, aber ansonsten steht das ganze öffentliche Leben still: keine öffentlichen Verkehrsmittel, keine Schule, alle öffentlichen Gebäude geschlossen. Der Flughafen ist zwar offen, aber es finden keine Passagierflüge statt. Man hofft, dass man Material hinbringen kann und dass man dann ab morgen möglicherweise mit ersten Passagierflügen beginnen kann. Häfen sind geschlossen. Und jetzt kommt noch die zweite kritische Phase nach dem Sturm. Die Rede ist von den Wassermassen, von denen man noch gar genau weiß, wo sie denn genau hinfließen werden.  

domradio.de: Wo kommt das Wasser her? Der Hurrikan "Irma" ist jetzt vorüber, also weitergezogen. Was passiert jetzt?  

Kopania: Zum einen liegt das am Boden. Die Bodenbeschaffenheit in Südflorida ist eine ganz andere, als zum Beispiel hier in Deutschland. Wir sind es gewohnt, in unseren Gärten in gutem, manchmal auch etwas steinigem Mutterboden zu graben. Das können Sie in Südflorida völlig vergessen. Der Grund besteht aus sogenannten "coral rock", das heißt, aus jahrtausendalten, abgestorbenen Korallen. Wenn man hier im Garten gräbt, stößt man direkt auf steinigen Boden. Dazu kommt, dass der Korallenboden löchrig ist.

Das große Problem ist also, dass das Wasser nicht nur vom Meer her kommt, sondern dass es von unten her aus dem Boden noch oben gedrückt wird und dann in den Straßen verläuft. Da muss man jetzt abwarten, wie weit der Sturm die Wassermassen in Bewegung gesetzt hat. Und, wenn diese dann mit der Flut zurückkehren, wie weit dann das Grundwasser steigt. Denn Miami hat keine Erhöhung, befindet somit sich auf Meeresspiegel und auf Grundwasserebene.

domradio.de: 6,5 Millionen Menschen wurden vorsorglich aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Nicht alle aber konnten das tun. Die sind jetzt zum Teil eingesperrt. Wie helfen die Kirchengemeinden in Miami diesen Menschen?

Kopania: Für solche Situationen haben die Kirchengemeinden Notfallpläne und Notfallrufnummern installiert, die über gesicherte Leitungen des Telefonanbieters möglichst lange halten. Momentan funktioniert auch das mobile Netz noch in Teilen. Darüber hinaus stehen wir mit unseren Gemeindemitgliedern in ständigem Kontakt. Alle sind auch aufgefordert, sich nach dem Sturm durch Textnachrichten oder andere Formen sofort zu melden und durchzugeben, wie die jeweilige Situation vor Ort ist. Wir haben sogenannte Care-Pakete vorbereitet.

Außerdem  haben wir im Vorfeld den Menschen, die aus gesundheitlichen oder aus Altersgründen nicht ihre Häuser verlassen konnten, geholfen, ihre Häuser zu verbarrikadieren. Sobald es halbwegs sicher möglich ist, wird auch eine Gruppe der Kirchengemeinden losziehen. Und zwar alle Denominationen, wir sind eine große interface-community, eine große Glaubensgemeinschaft. Und gemeinsam gehen wir dann zu den Häusern, bringen Verpflegung, schauen, ob alles in Ordnung ist oder ob wir eventuell andere Rettungsmittel anfordern müssen.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR