Deutscher Pfarrer in Washington über Katholiken in den USA

Kirche der "political correctness"

In Zeiten von Donald Trumps Abschottungspolitik sind auch viele Christen politisch bewegt. Dabei wird die Religion in den USA mehr im Privaten gelebt. Politische Statements von offizieller Seite der Kirche zugunsten einer Partei sind selten.

 (DR)

domradio.de: Spielt der Glaube für die Amerikaner eine größere Rolle als für die Deutschen?

Christian Bock (Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Washington DC): Der Anteil der Gläubigen und auch der Gottesdienstbesucher ist höher als bei uns. Sie dürfen von etwa 72 Prozent Christen hier in den USA ausgehen. 21,5 Prozent davon sind katholisch. Wenn ich die Christen hier beobachte, stelle ich schon fest, dass die Frömmigkeit hier ausgeprägter ist. Es ist selbstverständlicher vor dem Essen das Tischgebet zu sprechen, auch der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehört zum Leben der Familie. Umgekehrt merke ich aber auch, dass vieles privater und individualisierter ist. Hier wäre zum Beispiel eine Marienprozession durch die Innenstadt nur schwer vorstellbar. Das ist der “political correctness“ geschuldet, dass man hier verhaltener seinen Glauben in die Öffentlichkeit trägt.

domradio.de: Wie präsent sind die Katholiken in den USA?

Bock: Wir sind inzwischen die stärkste Denomination. Wir sind zwar gegenüber den Protestanten im Gesamten geringer vertreten, aber immerhin 21,5 Prozent, das ist schon recht stark. Es gibt Staaten in den USA, die sehr katholisch geprägt sind. Das sind zum Beispiel im Norden Massachusetts und New Jersey, auch New York. Dort haben die Katholiken einen Anteil von 36 Prozent. Das ist schon deutlich höher als der Schnitt. In den USA tut die Katholische Kirche das, was andere Gruppen auch tun. Sie ist sehr aktiv im Lobbyismus, der in den USA eine große Rolle spielt. Das politische Leben wird im Gegensatz zu Deutschland weniger von den Parteien geprägt, als von Gruppen, die sich für ein ganz bestimmtes Anliegen einsetzen. Da gehört die katholische Kirche deutlich dazu.

domradio.de: Was denkt Amerika über die Katholiken?

Bock: Wir haben als katholische Kirche immer damit zu kämpfen, dass unsere Geschichte auf bestimmte Einzelpunkte reduziert wird. Die Kreuzzüge spielen hier weniger eine Rolle, aber in den vergangenen 15 Jahren haben wir massive Skandale erleben müssen. Da denke ich nicht nur an den Missbrauch. Es gibt inzwischen eine Gruppe, die man die “no ones“ nennt, das sind die, die ehemals Katholiken oder Lutheraner waren oder einer anderen Religion angehörten. Diese Gruppe wächst. Diese Entwicklung hat auch noch kein Ende gefunden.

domradio.de: Wie stehen die Katholiken in den USA zu Donald Trump?

Bock: Das kann man so pauschal nicht beantworten. Nach der Wahl habe ich große Auseinandersetzungen auch innerhalb der Gemeinden mitbekommen. Diskussionen auf den Kirchhöfen vor und nach den Gottesdiensten. Es gab lautstarke Auseinandersetzungen, Diskussionen bis hin zur Beleidigung. Diese Debatten haben wenig christliches gezeigt. In einer christlichen Gemeinde in Amerika muss man damit rechnen, beide Lager anzutreffen: Der eine freut sich, der andere ist unglücklich.

domradio.de: Das heißt, dieser einfache Schluss "Christen sind gegen Abtreibung und damit für die Republikaner und Trump", den kann man nicht ziehen?

Bock: Ich glaube das Thema hat den Wahlausgang durchaus beeinflusst. Fast schon überrascht hat mich dabei der Schulterschluss zwischen Katholiken und Evangelikalen, die uns als katholischer Kirche sonst sehr kritisch gegenüberstehen. Konservative und Evangelikale haben diese Frage als sehr zentral angesehen, und da hat Donald Trump sicher einige Stimmen gewonnen.

domradio.de: Inwiefern kann die Kirche in den USA politisch Stellung beziehen?

Bock: In den USA spielt 'political correctness‘ eine sehr große Rolle. In der Geschichte, im 18. und 19. Jahrhundert war die katholische Kirche eine absolute Minderheit und ist auf massive Ablehnung gestoßen. Es ist ein Land, das keine katholische Tradition hat. Deshalb ist Amerika nicht so selbstverständlich mit katholischen Positionen vertraut wie Deutschland.

Auf der anderen Seite ist es amerikanische Tradition, dass man mit religiösen Standpunkten im Privaten bleibt. Das öffentliche Leben gehört den Parteien und dem Wahlkampf, das religiöse Leben gehört den Familien und den Pfarreien. Es gibt so eine religiöse Vielfalt, dass es kaum möglich scheint, alles unter einen Nenner zu bringen. Konflikten zwischen Religion und Politik geht man aus dem Weg, indem man sie gar nicht erst in die Öffentlichkeit trägt.

domradio.de: Was würde passieren, wenn Sie am Sonntag auf der Kanzel gegen Donald Trump predigen?

Bock: Ich glaube dann hätte ich danach sehr viele Anrufe zu beantworten und auch einige Schreiben. Die Gemeinde würde das sehr spalten. Es würde sicher Befürworter geben, aber auch ablehnende Stimmen. In pastoraler Hinsicht wäre das sehr gewagt.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Pfarrer Christian Bock / © Renardo Schlegelmilch (DR)
Pfarrer Christian Bock / © Renardo Schlegelmilch ( DR )
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DR