"Megachurch" in Houston lässt Türen für Flutopfer zu

Im Sinne des "Wohlstandsevangeliums"?

In Houston gibt es nach den Verwüstungen durch Hurrikan "Harvey" eine Welle der Hilfsbereitschaft: Kirchen und Schulen bieten Schlafplätze an. In der riesigen Lakewood Church bleiben jedoch die Türen verschlossen. Was steckt dahinter?

Kinder in einer Notunterkunft in Houston / © Jay Janner (dpa)
Kinder in einer Notunterkunft in Houston / © Jay Janner ( dpa )

domradio.de: Was ist denn die Lakewood-Kirche?

Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Es handelt sich dabei um eine lokale Megachurch, die also keine spezifisch konfessionelle Zugehörigkeit hat. Die Ausrichtung ist neocharismatisch. Megachurches haben in den USA in der Vergangenheit ein großes Wachstum erlebt. Die Gottesdienste der Lakewood Church besuchen pro Woche etwa 40.000 Menschen. Hinzu kommen viele Millionen, die die Gottesdienste live im Fernsehen verfolgen.

domradio.de:  Wie sieht denn das Gebäude aus? Ist das eine riesige Kathedrale oder mehr ein Stadion?

Stens: Seit 2005 benutzt die Lakewood Church ein umgebautes Sportstadion, das sie für 30 Jahre von der Stadt Houston angemietet hat. Wir haben es hier also weniger mit einem Sakralgebäude, sondern mehr mit einer Event-Arena zu tun.

domradio.de: Und die Gottesdienste sind dann solche Events?

Stens: So könnte man es nennen. Der Gründer der Lakewood Church war John Osteen, der ursprünglich Baptist war und sich dann der Pfingstbewegung zugewandt hatte. Sein Werk wird durch seinen Sohn Joel Osteen fortgeführt, der Unternehmer, Motivationstrainer, Buchautor und eben auch Prediger der Lakewood Church ist. In diesem Stil werden dann auch die Gottesdienste gefeiert.

domradio.de: Joel Osteen gilt als Vertreter des "Wohlstandsevangeliums". Was heißt das?

Stens: Er wird zumindest mit der Auffassung des Wohlstandsevangeliums in Verbindung gebracht. Gott will, dass wir erfolgreich sind im Beruf und dass wir unsere Kinder auf die Universität schicken, so äußert sich Osteen immer wieder. Die Auffassung des Prosperity Gospel, also des Wohlstandsevangeliums, ist Reichtum und Erfolg als sichtbarer Beweis für die Gunst Gottes.

domradio.de: Heißt das etwa im Umkehrschluss: Wer arm ist, den mag Gott nicht?

Stens: Zumindest hat der Pech gehabt und ist eben zum Versager verdammt. Verwandt mit dieser Anschauung ist die Lehre der Prädestination, also dass von Gott her vorausbestimmt ist, dass die einen das Heil erlangen und die anderen zum Unheil verdammt sind. Das ist auch einer der Grundzüge der Lehre des Reformators Johannes Calvin. Nur unterscheidet sich seine Lehre von der des Wohlstandsevangeliums dadurch, dass die Erwählung nicht durch Eigenleistung geschieht, sondern durch Gnade.

domradio.de: Ist das denn möglicherweise auch ein Grund, weshalb die Lakewood Church für Obdachlose geschlossen bleibt?

Stens: Die offizielle Begründung von Joel Osteen lautet, der Gebäudekomplex sei wegen der schweren Überschwemmungen unzugänglich. Freilich könnte man einen Zusammenhang zwischen mangelnder Hilfsbereitschaft und Wohlstandsevangelium sehen. Es passt aber eigentlich nicht zur Ausrichtung der Lakewood Church, die offen für Leute unterschiedlicher religiöser und ethnischer Herkunft sowie jedem sozialen Hintergrund sein soll. Und auch die Wirtschaftsethik des Calvinismus kennt neben der Freigabe der Geldwirtschaft die Armenfürsorge sowie die Ablehnung von maßlosem Profit und von Luxus. Und deshalb hat die Lakewood Church nach massiver Kritik an ihrem Verhalten auch angekündigt, mit den Samaritern zusammenzuarbeiten, um Geld für die Opfer zu sammeln.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR