Spannung vor Verfassungsgebender Versammlung in Venezuela

Abgleiten in die Diktatur?

Kurz vor der mit Spannung erwarteten Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung wenden sich die venezolanischen Bischöfe an das Volk. Sie sprechen von einer "schädlichen" Initiative.

Proteste in Venezuela / © Ariana Cubillos (dpa)
Proteste in Venezuela / © Ariana Cubillos ( dpa )

Venezuelas Bischöfe lassen keinen Zweifel: Auf ihrem Twitter-Account haben sie ihren wichtigsten Verbündeten auf den Titel gesetzt: "In der Stimme der venezolanischen Bischöfe erklingt auch meine Stimme - Papst Franziskus, 8. Juni 2017" ist da zu lesen.

Rund 24.000 Menschen folgen dem Medien-Kanal der Bischofskonferenz in den sozialen Netzwerken. Und kurz vor der am Sonntag geplanten Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung, der "Constituyente", richten die Bischöfe noch einmal einen ebenso dramatischen wie unmissverständlichen Appell an ihre Landsleute.

Die "Constituyente"

"Das Präsidium der Venezolanischen Bischofskonferenz bekräftigt seine Ablehnung dieser verfassungswidrigen und zugleich unnötigen, schädlichen und unangebrachten Initiative." Die Bischöfe appellieren auch an die Sicherheitskräfte und erinnern die Streitkräfte daran, das Leben aller zu verteidigen, ohne dabei Unterschiede in Klasse oder politischer Ausrichtung zu machen.

Es sind dramatische Stunden in Venezuela, die über das weitere Schicksal des Landes bestimmen. Nach dem Willen der Regierung soll die Verfassungsgebende Versammlung die Machtverhältnisse in Venezuela neu ordnen. Die Angst in jenen Bevölkerungsteilen, die mit der Opposition sympathisieren, ist groß, dass das südamerikanische Land mit der "Constituyente" Fakten schafft und endgültig in eine Diktatur abgeleitet.

Umfragen sehen "Nein"-Lager vorn

Rund 90 Prozent der Venezolaner sollen die Verfassungsgebende Versammlung ablehnen, berichtet das Portal "Globovision" am Freitagmorgen und beruft sich dabei auf Oppositionspolitiker Juan Carlos Caldera von der Partei Primero Justicia. Das erscheint eine zu hoch gegriffene Zahl, beim Blick auf die Anhängerschaft, die Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas Maduro bei der Abschlusskundgebung mobilisieren konnte.

Die Regierungspartei PUSV verfügt immer noch über eine breite Basis, wenngleich sie nicht mehr so mächtig ist wie noch unter dem vor vier Jahren verstorbenen Revolutionsführer Hugo Chavez.

Klare Haltung der katholischen Kirche

Beeindruckend ist allerdings auch das Mobilisierungspotenzial der Maduro-Gegner. Sie konnten vor knapp zwei Wochen immerhin mehr als sieben Millionen Menschen zur Teilnahme an einer freiwilligen Volksabstimmung bewegen, in der sie sich gegen die "Constituyente" aussprechen konnten. Trotz massiver Drohungen von linksgerichteten paramilitärischen Banden, den sogenannten "Colectivos", die die Wähler massiv einschüchterten.

Die katholische Kirche des Landes hatte sich bereits an diesem Tag hinter das Referendum gestellt, im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte die Venezolanische Bischofskonferenz Fotos von zahlreichen Bischöfen, die ihre Stimme abgaben. Unter ihnen auch Erzbischof Diego Padron, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, sowie die beiden Kardinäle Jorge Urosa und Baltazar Porras.

Die Lage spitzt sich zu

Nun steuert das Land auf einen weiteren Höhepunkt der Polarisierung entgegen. Seit Wochen gibt es Massenproteste gegen die sozialistische Regierung, die Anfang April versuchte, das Parlament, in dem die Opposition seit den Wahlen 2015 die Mehrheit hat, auf juristischem Wege zu entmachten.

Maduro regiert seit Jahren mit Hilfe von Sonderdekreten und Ausnahmezustand am Parlament vorbei. Zudem sind seitdem keine Regional- und Kommunalwahlen mehr durchgeführt worden, obwohl diese längst überfällig sind.

Hohe Opferzahlen

Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Foro Penal wurden bislang mehr als 100 Menschen bei Protesten getötet.

Seit Anfang April seien insgesamt fast 4.000 Menschen verhaftet worden, von denen rund 400 vor Militärgerichte gestellt wurden. Nach Angaben von Foro Penal gibt es derzeit hunderte politische Gefangene in Venezuela, zudem lägen Berichte über Folterungen durch die Sicherheitskräfte vor.


Venezuelas Präsident Nicolás Maduro  / © Francisco Batista (dpa)
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro / © Francisco Batista ( dpa )
Quelle:
KNA