Wie eine Gemeinde in Johannesburg für Ausgegrenzte sorgt

Täglich "Mandela Day"

Die Dreifaltigkeitskirche in Johannesburg hilft allen in Not Geratenen. Und das nicht nur am 18. Juli, dem internationalen Nelson-Mandela-Tag. Das Engagement ist auch gefährlich, bei Demonstrationen verletzte sich ein Jesuitenpater schwer.

Autor/in:
Markus Schönherr
Junge Menschen in Südafrika / © Nic Bothma (dpa)
Junge Menschen in Südafrika / © Nic Bothma ( dpa )

Im Schatten der Kirche schläft ein Obdachloser. Touristen kommen, schauen ungläubig. Dann setzen sie sich neben den Schlafenden auf die Bank und schießen Selfies. Es ist Jesus, dessen steinerner Körper in eine Decke gehüllt daliegt. Eine Statue - und zugleich eine Botschaft: Hier, in der katholischen "Holy Trinity Church", der Dreifaltigkeitskirche im südafrikanischen Johannesburg, ist jeder willkommen.

Zum Nelson-Mandela-Tag der Vereinten Nationen am 18. Juli sind die Menschen rund um den Globus aufgerufen, im Sinne des Friedensnobelpreisträgers und ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas Gutes zu tun. Auch in der Dreifaltigkeitskirche werden sich Helfer tummeln, um sich 67 Minuten freiwillig zu engagieren - die Zahl steht für die 67 Jahre, die Südafrikas Menschenrechts-Ikone für die Freiheit kämpfte.

Von der Suppenküche bis zum Jobtraining

In der Gemeinde in Johannesburg jedoch ist jeder Tag des Jahres "Mandela Day". Und das nicht nur, weil der Grundstein für die Kirche an einem 18. Juli, dem Geburtstag Mandelas, gelegt wurde, erzählt der Jesuitenpater und leitende Geistliche Graham Pugin: "Wir sind im Herzen Johannesburgs und sehen täglich Obdachlose, hungrig und erfroren. Und wir sehen die Not, der sich sonst niemand annimmt."

Vor Jahren startete die Kirchengemeinde eine Suppenküche, die etwa 200 Obdachlose mit warmen Mahlzeiten versorgt. Schrittweise wurde das Hilfsangebot erweitert und umfasst heute Jobtraining, Unterstützungsprogramme für Rentner sowie eine eigene Krankenstation. Außer der Vinzenzgemeinschaft und der Gemeinschaft Sant'Egidio helfen Dutzende weitere Freiwillige.

Medizinstudenten gründeten Krankenstation

Die meisten Gebäude ringsum sind Studentenwohnungen oder gehören zur Universität Witwatersrand. Ein wenig verloren wirkt das Gotteshaus inmitten all der Hochhäuser. Im Jahr 2004 sprachen ein paar Medizinstudenten vor, die sich sozial engagieren wollten. "Das war der Beginn unserer Krankenstation", so Pugin.

Jeden zweiten Montag behandeln die angehenden Ärzte und ihre Dozenten an die 40 Obdachlose. Seit kurzem gibt es auch eine HIV-Beratung. Zudem erhalten alle Bedürftigen kostenlose Medikamente in der kircheneigenen Apotheke. "Das erspart den Patienten stundenlanges Warten in den staatlichen Krankenhäusern. Dort werden Obdachlose für gewöhnlich als letzte behandelt", weiß der Geistliche.

In der Mitte von Demonstrationen

Pugin ist seit 30 Jahren als Universitätsseelsorger zuständig für die Unis Johannesburg und Witwatersrand - und geriet 2016 in den Sog eines gewalttätigen Konflikts. Damals gab es in allen Großstädten Südafrikas massive Proteste gegen hohe Studiengebühren. Auch in Johannesburg gingen die Studenten auf die Straßen. "Plötzlich fanden wir uns in der Mitte der Demonstrationen wieder. Als die Polizei auf der anderen Seite des Zauns begann, auf die Studenten zu schießen, konnten wir die Kirchentore nicht länger geschlossen halten." 800 Studenten flüchteten auf das Kirchenareal.

Ein "sicherer und heiliger Ort" sollte das Gotteshaus sein, erinnert sich Pugin. Aber es kam anders. Als die Polizei das Kirchengelände stürmen wollte, stellte sich der Jesuitenpater in den Weg. Eine Gummikugel traf ihn im Gesicht. Seine Kleidung: blutüberströmt. "Mein erster Gedanke war, hoffentlich habe ich noch ein paar Zähne übrig. Aber mich hatte es weit weniger schlimm getroffen als so manche andere", sagt er heute und lacht.

Seelsorge für Homosexuelle

Die Kirchentore stehen jedem offen. Dies will die Holy Trinity-Gemeinde nicht zuletzt auch durch die Seelsorge für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender verdeutlichen. Diese Menschen müssten gegen eine Vielzahl von Problemen kämpfen, meint Pugin. "Sie werden diskriminiert, finden keine Jobs, einigen werden Dokumente vorenthalten. Wir geben alles, um sie bei diesen Herausforderungen zu unterstützen."

Der Erzbischof von Johannesburg, Buti Joseph Tlhagale, stellte sich 2008 hinter dieses Anliegen. Einige Gemeindemitglieder meldeten Widerspruch an, doch zu seiner eigenen Überraschung, so Pugin, reagierte der Großteil "positiv". Dass das Pastoral-Team der Dreifaltigkeitskirche den Betroffenen medizinische und psychologische Beratung anbieten könne, habe auch mit dem Kurs der Kirche unter Papst Franziskus zu tun, findet, Pugin. Dafür sei er "dankbar".


Nelson Mandela (dpa)
Nelson Mandela / ( dpa )
Quelle:
KNA