Bürgerkrieg und Dürre - Massenflucht aus Südsudan

"Hilfe dringend benötigt"

Am 9. Juli 2011 feierten die Südsudanesen ihre Unanhängigkeit. Heute, sechs Jahre später, wollen viele von ihnen nur noch eins: Zurück in den früheren Unterdrückerstaat Sudan - weg vom Bürgerkrieg, der ihr Land seit vier Jahren auffrisst. 

Menschen im Südsudan / © Gregor Fischer (dpa)
Menschen im Südsudan / © Gregor Fischer ( dpa )

Heute feiert niemand mehr auf den Straßen Jubas. Die religiöse und kulturelle Unterdrückung durch den islamischen Sudan nahm mit der offiziellen Unabhängigkeit des Südsudans zwar sein Ende. Die gewonnene Freiheit aber wandelte sich in einen Bürgerkrieg, der die Bevölkerung verhungern lässt. Viele fliehen. Allein dieses Jahr strömten 155.000 Südsudanesen in den Sudan, obwohl dort die Flüchtlingscamps längst überfüllt sind und es an Wasser und Lebensmitteln mangelt. 

"Dass so viele Leute zurück in den Sudan wollen, verrät viel über die Realität vor Ort, wo es ums Überleben geht", sagt Biel Boutros, Menschenrechtsanwalt aus Juba. Für viele seiner Landsleute sei der Sudan eine sicherere Heimat geworden, nachdem sich der jüngste Staat der Welt als "Patient der Region" entpuppte. Knapp eine halbe Million Südsudanesen leben heute wieder im Sudan, berichtet die Ostafrika-Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Teresa Ongaro. Eine Ironie der politischen Entwicklung.

Zum Konflikt kommt die Dürre

Die Gründe dafür liegen für Ongaro auf der Hand: "Die Flüchtlingsbewegungen aus dem Südsudan zeigen Instabilität, Konflikt und Ernährungsunsicherheit in der betroffenen Region an. Als sich der Konflikt in den Bundesstaaten Equatoria und Jonglei ausbreitete, flüchteten die Menschen vermehrt nach Uganda beziehungsweise Äthiopien. Dasselbe gilt vermutlich für die Grenzregion um den Sudan."

Zu dem bewaffneten Konflikt kommt die Dürre: Das Rote Kreuz geht davon aus, dass einer von drei Haushalten im Südsudan "dringend" Hilfe benötigt. Nach dem jüngsten Anstieg an humanitärer Hilfe, äußerte die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) zwar leise Hoffnung. Laut der Regierung in Juba trifft auch die Definition einer Hungersnot nicht mehr zu, die Präsident Salva Kiir im Februar in Teilen des Landes ausrief.
Dennoch seien weiterhin sechs Millionen Menschen täglich von Hunger betroffen - "die höchste Zahl, die der Südsudan je gesehen hat", so die FAO.

"Um zu überleben, verkauften die meisten ihren gesamten Besitz"

Für die Helfer vor Ort steht die Ursache der Ernährungskrise fest: Die ostafrikanische Dürre, gemischt mit einem rücksichtlosen Kampf um Macht. "Nach drei Jahren Konflikt mussten knapp drei Millionen Menschen ihre Häuser verlassen. Und wer flieht, hat bald keine Kühe, Früchte oder Bargeld mehr", berichtet James Elder vom Kinderhilfswerk Unicef in Nairobi. "Um zu überleben, verkauften die meisten ihren gesamten Besitz und kamen so über die Runden. Doch nach drei Jahren gehen ihnen einfach die Möglichkeiten aus."

Vertreibung, Hunger und Konflikt - das sind die Zutaten für den Giftcocktail, an dem der junge Staat zu ersticken droht. Mitte Juni hatten bewaffnete Milizen den Oberarzt eines Provinzkrankenhauses erschossen, zur gleichen Zeit zwangsrekrutierten sie 14 Lehrer und Gesundheitsarbeiter. Eine Klinik und zwei Schulen mussten schließen.

Verlorene Generation - Kinder und Jugendliche

Unvermeidbar: Der "Braindrain", den fliehende Ärzte, Ingenieure und Lehrer auslösen, also die Abwanderung von Spezialwissen. Zu dem Vakuum an Fachkräften kommt eine verlorene Generation hinzu, der Großteil der Vertriebenen sind Kinder und Jugendliche. Vier Millionen Südsudanesen fristen derzeit in den Lagern für Binnenvertriebene oder im Ausland ihr Dasein.
Unter ihnen ist auch Anwalt Boutros, der heute in Ugandas Hauptstadt Kampala lebt. Er klagt, die Abspaltung vom Sudan vor sechs Jahren habe eine korrupte Elite im Südsudan unter Führung der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) geschaffen. Die rief zwar kürzlich zu einem "nationalen Dialog" auf, doch die bewaffnete Opposition zweifelt an der Aufrichtigkeit des Friedensangebots.

Unterdessen fliehen täglich mehr als 800 Südsudanesen über die Grenze in den Sudan. "Wie ich wünscht sich die Mehrheit keine Wiedervereinigung mit dem Sudan und hofft weiterhin, dass der interne Konflikt friedlich beigelegt werden kann", so Boutros. "Die Massenflucht unseres Volkes deutet aber darauf hin, dass der Südsudan als Staat gescheitert ist."


Dürre im Südsudan  / © Mackenzie Knowles-Coursin/UNICEF (dpa)
Dürre im Südsudan / © Mackenzie Knowles-Coursin/UNICEF ( dpa )

Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel (KNA)
Bewaffneter Mann im Südsudan / © Katharina Ebel ( KNA )

Südsudanesisches Mädchen im Gebet / © Ben Curtis (dpa)
Südsudanesisches Mädchen im Gebet / © Ben Curtis ( dpa )
Quelle:
KNA