Jerusalems Uni kooperiert mit Papst-Stiftung für Friedensarbeit

"Kein besserer Ort für neutralen Dialog"

Seit Februar arbeiten die päpstliche Stiftung Scholars Occurentes und die Hebräische Universität in Jerusalem zusammen. Warum das Projekt auch für etwas mehr Frieden sorgen könnte, erklärt der Präsident der Universität im Interview.

 (DR)

KNA: Herr Ben-Sasson, Friedensprojekte gibt es viele. Was macht die Kooperation zwischen Scholars Occurentes und der Hebräischen Universität so besonders?

Menachem Ben-Sasson (Präsident der Hebräischen Universität (HU) in Jerusalem): Dieses Projekt zielt auf Frieden, auf die junge Generation und es hat mit Wissenschaft zu tun. Die Kombination der drei Aspekte sichert und verspricht eine andere Form des Dialogs. Und: Wir wollen einen Dialog nicht nur zwischen verschiedenen Ländern und Religionen, sondern auch zwischen den Generationen.

KNA: Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

Ben-Sasson: Als Papst Franziskus das Projekt in Argentinien begann, ging es ihm um das Wohlergehen der Kinder. Auf der Ebene der Gesetzgebung etwa wurde am Verfassen von rund 150 neuen Gesetzen zum Wohl der Kinder in Argentinien mitgewirkt. Es war also ein existierendes Projekt, und zwar eines in Zusammenarbeit mit Wissenschaft, namentlich mit Universitäten. Das hat uns ermöglicht, die Kooperation unter dem Aspekt des Friedens und nicht der christlichen Forschung zu starten.

KNA: Was sind die Langzeitziele dieser Initiative?

Ben-Sasson: Das Projekt hat in Argentinien als lokales Projekt begonnen. Als Papst Franziskus zum Papst gewählt wurde, hat er es auf eine internationale Ebene gehoben und damit anderen Institutionen ermöglicht, teilzunehmen. Unser Interesse ist es, Frieden in der Welt zu fördern.

KNA: Wie geschieht das konkret?

Ben-Sasson: Wenn wir in der Bildung dieselbe Sprache sprechen, Schulbücher vom Hass reinigen und hin zu gemeinsamen Curricula gehen, wenn wir Partnerschaften und gemeinsame Aktivitäten wie etwa Chöre oder Orchester schaffen, kreieren wir eine Sprache bei den Kindern - und später auch bei den Eltern. Wo die Eltern von vielen Jahren in Hass und Misstrauen ermüdet sind, können die Kinder neue Ideen bringen.

KNA: Und was macht der Papst in dem Ganzen?

Ben-Sasson: Insbesondere der gegenwärtige Papst sitzt nicht auf seinem hohen Thron, von dem aus er eine mächtige Institution in der Welt leitet. Er hat um sich Zirkel aus Mitgliedern vieler verschiedener Religionen geschaffen. Meine Hoffnung ist, dass es mit seiner Beteiligung an einer solchen Initiative und durch eine Neutralisierung von einer religiösen Sprache zu einer wissenschaftlichen und praktischen Sprache gelingen kann, verschiedene religiöse Hintergründe zu einem Ziel zusammenzubringen. Und das einfache Ziel lautet: Lasst uns reden, lasst uns einander begegnen, lasst uns Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen.

KNA: Was erwarten Sie konkret von dieser ersten gemeinsamen Konferenz?

Ben-Sasson: Meine Hoffnung ist, dass wir in der Zukunft mit einigen Modellen, Werkzeugen und praktischen Antworten kommen, die mit voller Zustimmung der Teilnehmer dieser Konferenz umgesetzt werden. Wir sind in Jerusalem, und das ist nicht nur ein Hindernis, sondern es ist eine Gelegenheit. Denn nicht viele Städte haben die Möglichkeiten, die Jerusalem hat. Also sollte das Truman-Institut mit den verschiedenen Kindern verschiedener Religionen dieser Stadt daran beteiligt sein, ein Rollenmodell für andere Städte zu entwickeln. Eine ebensolche Chance liegt in der Aufnahme der mehrheitlich muslimischen Migranten in der christlichen Welt.

KNA: Welche Rolle spielen Universitäten darin?

Ben-Sasson: Es gibt keinen besseren Ort für einen neutralen Dialog. Aus den verschiedenen Schulsystemen, sei es christlich, muslimisch, jüdisch-orthodox oder säkular, kommen alle auf den selben Campus. Sie sprechen dieselbe Sprache: jene der Wissenschaft. Sie haben die gleichen Ziele: Erfolge in der Wissenschaft. Es gibt so viele gemeinsame Nenner im Bereich der Wissenschaft, und es ist der erste Bereich im Leben eines reifenden jungen Menschen. Also sollten wir Universitäten als Plattform nutzen. An der Universität können wir mit den Grundlagen beginnen, etwa der Lektüre der heiligen Schriften und dem Lernen der Sprachen. Von dort aus können wir das Verständnis entwickeln.

KNA: Das heißt, Religionen sollten von ihrem religiösen Inhalt befreit werden?

Ben-Sasson: Vom sozio-religiösen Inhalt. Das Vertiefen des Inhalts von einem rein wissenschaftlichen Standpunkt glättet Missverständnisse, Misstrauen und Hass. Man entwickelt eine Perspektive zum Text und beginnt zu verstehen, dass Religionen viele Dinge gemeinsam haben. Dies ermöglicht, den anderen zu verstehen und gleichzeitig Respekt ihm gegenüber zu entwickeln. Viele der Gräben zwischen den Gruppen verlaufen entlang der religiösen Spaltungen. Religion kann also ein Grund für Spaltungen sein. Wir wollen, dass sie stattdessen eine Brücke zum besseren Verständnis ist.

KNA: Eine solcher Brücken ist ein gemeinsames Gebet von Vertretern der drei monotheistischen Religionen an der Konferenz?

Ben-Sasson: Die drei Religionen hier kommen in der Regel dann zum gemeinsamen Gebet zusammen, wenn es um dringende Anliegen geht, etwa das Gebet um Regen in einer Dürrephase. Der Mangel an Frieden ist so ein dringendes Anliegen.

Das Interview führte Andrea Krogmann.


Papst Franziskus beim Angelus-Gebet  / © Tony Gentile (dpa)
Papst Franziskus beim Angelus-Gebet / © Tony Gentile ( dpa )
Quelle:
KNA