Seit 100 Jahren: die Ostkirchen-Kongregation im Vatikan

Für die bedrohte katholische Sonderwelt

Die katholische Kirche ist ein Kosmos für sich. Ihre Vielfalt spiegelt sich auch in der Ostkirchen-Kongregation wider, die 23 mit Rom unierte Kirchen vertritt. Jetzt wird sie 100 Jahre alt.

Autor/in:
Von Johannes Schidelko
 (DR)

Von den großen Kurienbehörden ist die Kongregation für die Orientalischen Kirchen die jüngste. Sie wurde erst vor 100 Jahren, am 1. Mai 1917, von Papst Benedikt XV. (1914-1922) gegründet - und ist für eine katholische Sonderwelt zuständig: für die 23 mit Rom unierten Kirchen, die nicht dem lateinischen Mainstream, sondern einem der fünf orientalischen Riten folgen.

Diese sogenannten katholischen Ostkirchen zählen rund 20 Millionen Mitglieder und machen damit gerade zwei Prozent der katholischen Welt aus. Doch sie bewahren ein reiches religiöses und kulturelles Erbe, das die Vielfalt der Universalkirche zum Ausdruck bringt, die heute zunehmend bedroht ist; zumindest in ihrer Heimat, dem Nahen Osten, wo sie meist nur noch eine winzige und bedrängte Minderheit in einem mehrheitlich muslimischen Umfeld sind.

Kulturelle Vielfalt

In zahlreichen Formen, Rechten und Gebräuchen unterscheiden sich die katholischen Ostkirchen - Kopten, Chaldäer, Syrer, Armenier und Byzantiner - von der übrigen Weltkirche. Mit ihren Festen richten sie sich (wie die Orthodoxie) in etlichen Ländern nach dem alten Julianischen Kalender, der Weihnachten am 7. Januar feiert; bei den Armeniern ist es der 6. Januar.

Ihre Belange werden durch ein eigenes Kirchenrecht, den ostkirchlichen Rechtskodex CCEO von 1990 geregelt - durch den die katholische Kirche im Übrigen eine gewisse Rechtspluralität erhält. Die Kirchen können ihre Bischöfe in Eigenregie ernennen; sie genießen eine gewisse Autonomie in Kirchendisziplin und Verwaltung. Und anders als in den Kirchen des Westens gilt bei ihnen die Zölibatspflicht nur für Bischöfe und Ordensleute, nicht aber für normale Gemeindepriester.

Beschränkte Sonderrechte

Allerdings sind diese Sonderrechte im Prinzip nur auf die alten "Territorien" des Nahen Ostens beschränkt. Nicht alle gelten auch für die Auswanderergemeinden in der Diaspora Europas oder Lateinamerikas. Angesichts des anhaltenden Exodus aus Nahost gibt es Bestrebungen, dies auszuweiten.

Die Ostkirchen-Kongregation betreut an ihrem Sitz auf der Via della Conciliazione in Rom mit 25 Mitarbeitern fast alle Belange dieser Kirchen: Bischofsernennungen, Priester und Ordensleute, Liturgie, Schul- und Bildungsfragen - also Aufgaben, die für die Westkirche von eigenen Kongregationen wahrgenommen werden. De facto bildet sie für ihren Bereich eine "Kurie im Kleinen". Nur die Glaubenskongregation und die für Heiligsprechungen sowie die drei kirchlichen Gerichtshöfe haben direkte Zuständigkeit auch für die katholischen Orientalen.

Eine "Kurie im Kleinen"

Eine weitere Aufgabe der Kongregation gilt der Koordination von Vermögensfragen sowie der Unterstützung der Kirchen in Nahost, etwa durch eine eigene weltweite Kollekte am Karfreitag, aber auch durch das Ostkirchenhilfswerk ROACO.

Spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) schätzt und würdigt die katholische Kirche ihr ostkirchliches Erbe. Zuvor war das Verhältnis zwischen Lateinern und Orientalen nicht immer ungetrübt. Die Christen des Westens betrachteten die orientalischen Bräuche und Privilegien mitunter mit Argwohn; mehr als zu tolerierende Notwendigkeit denn als schützenswerten Reichtum.

Die Kongregation war erst ein letzter Schritt

Vor der Gründung der Ostkirchen-Kongregation fiel dieser Bereich in die Zuständigkeit der Missionskongregation. Mitte des 19. Jahrhundert wurde dort eine Unterabteilung für Ostkirchenfragen gegründet, die dann 1917 zur eigenständigen Behörde erhoben wurde. Bis zum Konzil war die Ostkirchen-Kongregation auch für den Kontakt zur Orthodoxie zuständig; erst 1960 wurde für alle Bereiche der Ökumene das sogenannte Einheitssekretariat gegründet.

Die dramatische Lage in den christlichen Stammlanden - vor allem in Syrien und Irak - hat gravierende Konsequenzen für die katholischen Ostkirchen. In Scharen flohen und fliehen ihre Gläubigen aus der Heimat in die Nachbarländer oder nach Europa und Übersee. Auch in Ägypten oder im Heiligen Land steht die ständig schrumpfende Christengemeinde unter Druck.

Das stellt auch den Vatikan vor neue Herausforderungen und Aufgaben. Ein Ziel der Ostkirchen-Kongregation ist es, den Christen in ihrer Heimat ein Überleben zu sichern. Zugleich sucht sie nach Wegen, wie die orientalischen Katholiken in der Diaspora ihr geistliches Erbe bewahren können. In jedem Fall geht es darum, dass uralte christliche Traditionen in der Weltkirche weiter eine Zukunft behalten.


Quelle:
KNA