Vatikan-Experte über die Bedeutung der angekündigten Heiligsprechungen

"Es geht um die Haltung zum Glauben"

Papst Franziskus hat am Donnerstag 37 Heiligsprechungen angekündigt. Der Vatikanexperte Ulrich Nersinger erklärt im domradio.de-Interview, was hinter der Auswahl der neuen Heiligen steckt.

Oktober 2013: Franziskus vor Madonna von Fátima (dpa)
Oktober 2013: Franziskus vor Madonna von Fátima / ( dpa )

domradio.de: Heiligsprechungen haben neben theologischen auch einige kirchenpolitische Aussagen. Was würden Sie bei dieser Auswahl von Kandidaten sagen? Welche sind das?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Ich würde das kirchenpolitisch nicht so einengen, sondern ich würde sagen: Selig- und Heiligsprechungen sind für uns Katholiken als Wegweiser für unseren Glauben gedacht. Der Papst will herausstellen, dass man als Katholik und als Christ in gewissen Zeiten und Lebenssituationen seinen Mann und seine Frau stehen muss. Von daher hat es auch eine gewisse politische und kirchenpolitische Dimension.

domradio.de: Machen wir das mal an konkreten Beispielen fest und beginnen wir mit den Sehern von Fatima. Welche Geschichte steckt da dahinter?

Nersinger: In der Grotte in der Nähe des Dorfes Fatima war den Geschwistern Marto 1917 die Mutter Gottes erschienen. Neben den Erscheinungen, bei denen Maria nach Angaben der Kinder Prophezeiungen aussprach, die als "Geheimnisse von Fatima" bekannt wurden, geht es nun bei der Heiligsprechung, darum, dass die Seher-Kinder uns als vorbildliche Katholiken und Christen dargestellt werden. Es geht weniger um die beschriebenen Phänomene. Es ist die Haltung der Jungen Leute zum Glauben.

domradio.de: Da gab es drei Kinder, jetzt werden nur zwei heiliggesprochen. Warum das?

Nersinger: Die Geschwister Marto starben bereits als Kinder und wurden im Jahr 2000 seliggesprochen. Lucia erreichte als einzige das Erwachsenenalter und starb erst in unseren Tagen im Jahr 2005. Daher konnte das Seligsprechungsverfahren auch erst danach eingeleitet werden.

domradio.de: War eventuell das hundertjährige Jubiläum von Fatima dem Papst wichtiger für die Heiligsprechung zweier Seherkinder als das Abwarten, bis auch das dritte Kind selig gesprochen wird, um dann alle drei heilig zu sprechen?

Nersinger: Ich denke, das ist natürlich eine Überlegung des Papstes, da einen Glaubensimpuls zu geben. Da ist natürlich so ein Jubiläum auch ein wichtiges Datum.

domradio.de: Schauen wir mal auf die anderen heilig zu sprechenden Personen. Darunter sind 30 Märtyrer der kalvinistischen Katholikenverfolgung? Auch das müssen Sie uns erklären.

Nersinger: Die Niederländer haben zu Beginn des 17. Jahrhunderts diese Länder kolonialisiert und sie haben auch versucht die Reformation blutig und grausam zu verbreiten. Diese 30 Christen sind dem zum Opfer gefallen. Es soll zeigen, dass es Leute gibt, die in extremen Situationen, in denen ihr Glaube bedroht wird, fähig sind für diesen Glauben einzustehen.

domradio.de: Da sind wir wieder beim Thema Haltung. Darunter sind auch drei mexikanische Jugendliche, die sich geweigert hatten, einem Aztekengott Opfer zu bringen.

Nersinger: Ich denke, das ist die gleiche Intention. Angesichts der vielen Ermordungen, die wir in Afrika oder in Asien oder dem Nahen Osten zum Beispiel durch islamistischen Terror erleben, ein wichtiges Zeichen. Das ist - denke ich - ein Gedanke des Papstes, dass wir uneingeschränkt einstehen für den Glauben. Es soll uns Kraft für den Alltag geben.

Das Interview führte Verena Tröster.


Ulrich Nersinger / © privat
Ulrich Nersinger / © privat
Quelle:
DR