Bischof Huonder an der Altersgrenze - Ende des Zanks?

Stunde null im Bistum Chur

​Das Schweizer Bistum Chur ist immer gut für Schlagzeilen - oder vielmehr ihr Bischof. Am Freitag erreicht der noch sehr fitte Vitus Huonder die Altersgrenze von 75 Jahren. Das Personalkarussell kreiselt - doch was wird?

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Sorgt für Diskussionen: Bischof Huonder (KNA)
Sorgt für Diskussionen: Bischof Huonder / ( KNA )

So wünscht man sich Kirche nicht wirklich: über Jahre die Turmuhr herunterzuzählen, bis endlich der Bischof die Altersgrenze erreicht hat. Doch genau so fühlen sich viele im Schweizer Bistum Chur. Sie hoffen, dass dort bald nach Freitag die Zeiger wieder auf null stehen: Denn der noch sehr fitte Vitus Huonder wird 75 Jahre alt und muss dem Papst seinen Amtsverzicht anbieten. Der konservative Hirte ist nach Ansicht seiner Kritikern einer, der liberale Ansinnen seiner Herde gern mit der Haltung abkanzelt: Hier stehe ich - ich kann nicht anders.

In den Kantonen Graubünden, Schwyz und Zürich herrscht seit langem ein kirchliches Reizklima. Auf engem Raum prallen große Meinungs- und Mentalitätsunterschiede aufeinander. Wie schon sein Vor-Vorgänger Bischof Wolfgang Haas (1988/90-1997) hat Huonder seine Herde polarisiert, zu der neben den ländlichen Kantonen auch die finanzstarken Katholiken der Metropole Zürich gehören.

Diskussion um konservative Positionen

Auch landesweit fungiert der Churer Bischof als Lautsprecher des konservativen Kirchenflügels - während sich seine Amtsbrüder in der Schweizer Bischofskonferenz oft bemühen müssen, dessen verbale Vorstöße zu Sexualität, Kirchenverfassung oder Lebensschutz wieder einzufangen. Der Schweizer Dachverband der Schwulen stellte 2015 sogar erfolglos Strafanzeige gegen den Bischof: wegen öffentlicher Aufforderung zu Gewalt gegen Homosexuelle.

Huonder, seit 2007 im Amt, pocht auf den Buchstaben des Katholischen, und er scheut sich nie, ihn als verbindlich einzufordern. Mal gab es Streit um Abtreibungsfinanzierung, mal um den Umgang mit Homosexualität, um Ehe und Familie oder die Leitung des Priesterseminars. Unzufriedene zogen 2014 an den Sitz des Bischofskonferenz-Vorsitzenden, um für eine Absetzung Huonders zu demonstrieren. Sie beklagten: "Wir haben genug von disziplinierender Haltung, von hartherziger Theologie und pessimistischen Bischöfen, die den Gläubigen misstrauen."

Huonders Anhänger wehren sich gegen Kritik

Wahr ist aber auch, dass Schweizer basisdemokratisch ticken. Das ist Tradition seit dem legendären Rütlischwur im Mittelalter. Und auch das Schweizer Staatskirchenrecht räumt den Laien mehr Mitbestimmung ein, als vielen Bischöfen lieb ist - und als es im allgemeinen Kirchenrecht vorgesehen ist. Das gilt etwa für die bischöfliche Finanzverwaltung und für Experimentierfreude im Gottesdienst.

Anhänger Huonders hielten dagegen stets, dass der Bischof in Einklang mit Kirchenlehre und Kirchenrecht handele. Es sei die Lehre, nicht die Person, die den Kritikern nicht passe. Die Kritiker wiederum werten genau das als Huonders Konfliktstrategie: vorzupreschen und dann die eigene Person unter Verweis auf die offizielle Lehre wieder aus dem Spiel zu nehmen.

Wer folgt nach?

Nachfolger für den Churer Bischofsstuhl werden bereits seit längerem gehandelt. Auch wurde nach Rom das Anliegen übermittelt, übergangsweise einen Administrator statt eines neuen Bischofs zu ernennen. Viele Katholiken wünschen sich vor allem ein bisschen Ruhe für die zerstrittene Diözese. Martin Kopp, Generalvikar für die Urschweiz, formuliert drastisch: «Wenn einfach jemand aus dem Lager gewählt wird, das aktuell in Chur den Kurs bestimmt, und es keinen Neuanfang gibt, ist das Bistum tot.»

Als Kandidaten für 2017 wurden etwa ventiliert: der Freiburger Weihbischof Alain de Remy (58), früher Kaplan der Schweizergarde, sprachgewandt und konservativ; der Churer Weihbischof Marian Eleganti (62) als möglicher Kompromisskandidat; Andreas Rellstab (50), einst Generalvikar, nun jedoch als Pfarrer in Zürich im selbstgewählten Exil; und der Generalminister der Kapuziner, Mauro Jöhri (69).

Weiter wurden genannt die beiden Äbte von Einsiedeln: der frühere, "Twitter-Abt" Martin Werlen (55), ein Liberaler und ausdrücklicher Kandidat der "Linken" im Bistum, sowie sein amtierender junger Nachfolger Urban Federer (48). Beiden wird allerdings fehlende Ambition auf den schwierigen Posten in Chur nachgesagt. Ganz anders Huonders Schatten und Generalvikar Martin Grichting (49), dessen Polemiken jedoch im Bistum viel verbrannte Erde hinterlassen haben. Wem die Stunde schlägt, werden dann die Churer Glocken läuten.


Quelle:
KNA