Bischof Ackermann zum Beispielland der Fastenaktion Burkina Faso

"Die Regierungen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen"

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ist Gastgeber des Auftakts zur Misereor-Fastenaktion 2017. Schwerpunktland ist Burkina Faso, wo er im Februar unterwegs war. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er über seine Eindrücke.

Autor/in:
Michael Merten
Trierer Bischof Stephan Ackermann (2.v.r.) und Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel in Pambolo, Burkina Faso. / © Michael Merten (KNA)
Trierer Bischof Stephan Ackermann (2.v.r.) und Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel in Pambolo, Burkina Faso. / © Michael Merten ( KNA )

KNA: Bischof Ackermann, wie ist als Gastgeber der Eröffnung der Fastenaktion 2017 Ihr Eindruck vom Beispielland Burkina Faso und seinen Menschen?

Ackermann: Die Reise hat mir und den anderen Teilnehmern unserer Delegation eine gute Gelegenheit gegeben, zu spüren, wie die Menschen leben, die besonders im Blickpunkt der diesjährigen Aktion stehen. Der Fokus unserer Reise lag auf Projekten der landwirtschaftlichen Entwicklung. Den stärksten Eindruck bei mir haben natürlich die Menschen hinterlassen, mit denen wir zusammengetroffen sind: ihre Geschichten, ihre Gesichter. Das waren die dichtesten Momente: die Menschen in ihrer Umgebung zu erleben, mit ihren Sorgen, mit ihrer Nachdenklichkeit - mit ihrer Lebensfreude, mit ihrer Neugierde, auch auf unsere Delegation.

KNA: Als Vorsitzender der deutschen Kommission von Justitia et Pax ist das Thema Gerechtigkeit für Sie zentral. Wie gerecht ist aus Ihrer Sicht die europäische Handelspolitik, die unter anderem dazu führt, dass Importe zum Beispiel von Milchpulver die lokalen afrikanischen Märkte unter Druck setzen?

Ackermann: Wichtig ist es, dass wir uns bei allen Verträgen, die geschlossen werden, die Gerechtigkeitsfrage stellen. Wir dürfen nicht nur das Ziel haben, zusätzliche Märkte für uns zu erschließen, und nur auf unseren Gewinn schauen. Wir müssen nach den Auswirkungen fragen, die die Verträge für die Menschen hier vor Ort haben. Es ist aber auch deutlich geworden, dass es in diesen Verträgen Europas mit Afrika für die Regierungen hier vor Ort die Möglichkeit gibt, etwa die Bauern durch Zölle zu schützen. Die Regierungen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und die Spielräume nutzen.

KNA: Sehen Sie den Ball derzeit also eher bei den afrikanischen Staaten?

Ackermann: Ich glaube, man kann beides nicht voneinander trennen. Wir Europäer müssen immer wieder fragen: Was bedeutet unser Handeln für die Länder des Südens? Wenn wir nicht daran interessiert sind, gerechte Handelsbedingungen zu verstärken und zu schaffen, dann werden noch mehr Menschen sich genötigt sehen, sich von zu Hause wegzubewegen und auf den Weg zu machen, um ein besseres Leben zu suchen. Um die Fluchtursachen nicht zu verstärken, müssen wir auch aus dem eigenen Interesse Europas heraus helfen, die Lebensbedingungen in Afrika verbessern.

KNA: Sie haben bei Ihrem Besuch in Ouagadougou auch das Verhältnis von Menschenrechten und Entwicklung und traditionellen afrikanischen Werten und Vorstellungen angesprochen. Wie waren die Reaktionen?

Ackermann: Es gibt den Vorwurf etwa aus Ländern des globalen Südens oder Osteuropas, dass die Menschenrechte, wie sie von den Vereinten Nationen bei ihren Förderprogrammen propagiert werden, als "Import des Westens" daherkommen und traditionelle Werte etwa der Familie und des sozialen Zusammenhalts in den betreffenden Ländern zerstören. Darauf werden wir nur gute Antworten finden, wenn wir im Respekt voreinander die jeweils Anderen hören. Es ist inzwischen auch bei den UN-Organisationen ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass es keine wirkliche Entwicklung gibt, wenn man Werte und Traditionen, die in den Kulturen verankert sind, und das heißt auch die Religionen ignoriert. Dann wird es immer zu Konflikten kommen. Es wird nur gehen, indem man in Gespräche eintritt, möglicherweise auch in kontroverse Gespräche. Die Partner hier haben betont, dass die traditionellen Werte wie der Zusammenhalt der Großfamilie, aber auch das soziale Gefüge etwa mit den traditionellen Chefs der verschiedenen Volksgruppen, respektiert werden müssen. Die kirchlichen Partner sagen, dass sie für ihr Handeln immer auch die Kriterien der katholischen Soziallehre anlegen. Die Frage lautet dann: Wie lassen diese sich mit den traditionellen Werten vermitteln? Das halte ich für einen guten Weg.

KNA: Wie bewerten Sie in dem Zusammenhang die Arbeit von Misereor?

Ackermann: Ich erlebe, dass Misereor wirklich sehr achtsam mit den Partnern umgeht. Es kommt nicht daher als potentes Werk aus den Ländern des Nordens, das den Menschen hier zeigt, wo es langgeht. Vielmehr zeigt Misereor vorbildlich, dass nur im Dialog und in der Zusammenarbeit mit den Partnern die Dinge entwickelt werden können.

KNA: Misereor unterstützt die Gründung von Minimolkereien und andere Projekte, in denen oftmals Frauen das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Wie verändert das die Rolle der Frau, das Gefüge in den Familien?

Ackermann: Wir konnten erleben, dass solche kleinen unternehmerischen Initiativen wie etwa die Minimolkerei, die in einer Art von genossenschaftlichen Verbindung von Frauen geführt wird, auch die Stellung der Frau verändern. Es ist ein guter Fortschritt, wenn die Frauen an Selbstbewusstsein gewinnen, etwa dadurch, dass sie eigene Einkünfte erzielen. Das muss aber auch sensibel vermittelt werden; es ist wichtig, Schritt um Schritt voranzugehen. Wichtig war in dem Zusammenhang, den wir besucht haben, dass der traditionelle Dorfchef einbezogen war. Er hat wesentlich auf die Männer eingewirkt, dass sie die Gründung der Molkerei unterstützen.

KNA: Sehen Sie also einen Erfolg durch die eher evolutionären statt revolutionären Schritte?

Ackermann: Ich würde sagen, das ist der richtige Weg. Auch dabei werden Spannungen nicht ausbleiben - das ist vollkommen klar. Aber die gibt es bei jeder Entwicklung.

KNA: Wie sehen Sie die Rolle der Religionen in Burkina Faso?

Ackermann: In Burkina Faso sind die Religionen stark gemischt, vorherrschend ist vor allen Dingen der Islam, dann sind da die christlichen Kirchen, aber auch die traditionellen Formen der Religiosität. Offensichtlich funktioniert in diesem Land ein friedliches Miteinander, auch weil es faktisch in jeder Familie Muslime und Christen gibt. Auf dem Hintergrund unserer deutschen Situation war für mich interessant, dass hier ein ganz anderes Bild des Islam dominierend ist, das sich viel friedlicher darstellt. Ansonsten sehen wir ja im Moment weltweit vor allem das Bild eines nationalistischen, gewaltbereiten Islam. Das ist hier wirklich deutlich anders.


Quelle:
KNA