Kommission zieht Bilanz zu sexuellem Missbrauch

Wochen der Wahrheit in Australien

Der katholischen Kirche in Australien stehen schwierige Wochen bevor. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission beginnt mit ihrer letzten Anhörung zum Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch.

Autor/in:
Michael Lenz
Dunkle Wolken über Australiens Kirche / © Friso Gentsch (dpa)
Dunkle Wolken über Australiens Kirche / © Friso Gentsch ( dpa )

"Wie konnte das passieren?" Und: "Was können wir tun, um Kinder vor Missbrauch zu schützen?" Das sind die Fragen, mit denen sich die australische Missbrauchskommission ab Montag in ihrer letzten Anhörung zum Umgang der katholischen Kirche mit dem Missbrauchsskandal beschäftigen wird. Der Abschlussbericht der 2013 von Australiens Regierung eingesetzten Kommission soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.

Erzbischof Denis Hart, Vorsitzender der Bischofskonferenz, bereitete Australiens Katholiken vor Beginn der Anhörung auf eine schwere Zeit vor. "Für die Opfer und die Überlebenden, für die katholische Gemeinschaft und für viele in der australischen Gesellschaft wird diese Anhörung schwierig und sogar bedrückend", so der Erzbischof von Melbourne.

Missbrauch durch Ärzte, Trainer und Geistliche

Ähnlich eindringlich äußerte sich Francis Sullivan, Geschäftsführer des Rats für Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung (TJHC). Sullivan betonte aber auch: "Es ist absolut notwendig, dass diese Informationen öffentlich werden." Der THJC ist das von der Bischofskonferenz für die Zusammenarbeit mit der Kommission beauftragte Gremium.

In den nunmehr vier Jahren Kommissionsarbeit ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht neue Ungeheuerlichkeiten bekannt wurden. So erfuhren die Australier, dass in den vergangenen Jahrzehnten Kinder und Jugendliche durch Geistliche aller Religionen, durch Ärzte in Krankenhäusern, durch Trainer in Sportvereinen, durch Vorgesetzte und Kameraden im Militär sexuell missbraucht wurden. In 6.433 vertraulichen Einzelgesprächen schilderten Missbrauchsopfer ihre Pein. 1.899 Fälle wurden Behörden und der Polizei angezeigt.

Wie Missbrauch verhindern?

Ab Montag wird die Kommission drei Wochen lang Beweise und Daten aus den Anhörungen der vergangenen Jahre über das Verhalten von katholischen Diözesen, Orden und Institutionen bewerten. Auch die Aussagen von Opfern, Zeugen sowie die von Kurienkardinal George Pell sollen thematisiert werden. Im Zentrum der Schlussanhörung wird zudem die Frage stehen, wie die Kirche in Zukunft den sexuellen Missbrauch von Kindern verhindern will. Dazu hat die Kommission zahlreiche Bischöfe, Kirchenrechtsexperten und andere Vertreter vorgeladen.

Mit Spannung wird die Bewertung der Aussagen aus den früheren Anhörungen Pells erwartet. Dieser soll als Priester in der Stadt Ballarat zusammen mit dem im April 2016 verstorbenen Bischof von Ballarat, Ronald Mulkearns, pädophile Priester geschützt haben. So soll Pell beispielsweise David Ridsdale, einem Neffen und Opfer des verurteilten Priesters Gerald Ridsdale, für die Rücknahme von Anschuldigungen ein Schweigegeld angeboten haben.

Kultur verändern

Bereits im Herbst 2016 bezeichnete die Kommission etliche Aussagen und Dementis von Pell und anderen Kirchenoffiziellen als "unglaubwürdig". Als Erzbischof von Melbourne hatte Pell allerdings auch mit der "Melbourne Response" erste Maßstäbe für einen neuen Umgang der Kirche mit Missbrauch gesetzt.

Die vielleicht radikalste katholische Stimme in der australischen Missbrauchsdebatte ist die des emeritierten Bischofs Geoffrey Robinson. "Jeder Bischof, der durch das, was er getan oder unterlassen hat, verantwortlich für den Missbrauch eines Kindes ist, sollte zum Rücktritt aufgefordert werden", sagte Robinson. Er setzt sich außerdem für die Abschaffung des "Zwangszölibats" ein, der eine Ursache für den sexuellen Missbrauch durch Priester sei. Robinson war 2004 wegen seiner Unzufriedenheit mit dem Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal auf eigenen Wunsch vorzeitig in den Ruhestand entlassen worden.

Eine der wichtigsten Fragen ist laut Erzbischof Mark Coleridge die nach den "kulturellen Faktoren, die zum Missbrauch und dem falschen Umgang damit in der Kirche beigetragen haben". Es reiche nicht, Verfahren und Standards zu verändern, betonte der Erzbischof von Brisbane in einem am 1. Februar veröffentlichten Video. "Wir müssen die Kultur verändern. Das ist die schwierigere Aufgabe."


Quelle:
KNA