Unruhen in Mexiko wegen hoher Benzinpreise

"Bischofskonferenz hält sich zurück"

Geplünderte Geschäfte, Festnahmen und besetzte Straßen: Die Proteste in Mexiko gegen die Erhöhung der Benzinpreise laufen seit Beginn des Jahres aus dem Ruder. Aber es geht nicht nur um den Benzinpreis, so Catharina Köhler von Misereor.

Proteste gegen die Erhöhung der Benzinpreise in Mexiko / © Antonio Nava (dpa)
Proteste gegen die Erhöhung der Benzinpreise in Mexiko / © Antonio Nava ( dpa )

domradio.de: Hohe Benzinpreise sind bei uns in Deutschland ja auch immer ein Aufreger-Thema. Aber in Mexiko scheinen diese Preiserhöhungen und die Reaktionen darauf viel verheerender zu sein. Warum ist das so?

Catharina Köhler (Lateinamerika-Expertin des Hilfswerks Misereor): Das liegt daran, dass Deutschland eine Industrienation ist. Wir können uns hier nicht vorstellen, dass die Leute immer noch in Armut leben und die Anhebung des Benzinpreises eben eine größere Wirkung hat als hier in Deutschland. Der Mindestlohn in Mexiko liegt bei vier US-Dollar pro Tag! Da hat eine Preiserhöhung natürlich große Auswirkungen auf die Transportkosten und die Lebenshaltung.

domradio.de: Sie haben die Armutssituation angesprochen. Geht es bei den Protesten und Ausschreitungen wirklich nur um den Benzinpreis oder sitzt das Problem tiefer?

Köhler: Die große Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegenüber der aktuellen Regierung unter Präsident Peña Nieto zeigt sich eben jetzt. Der Benzinpreis hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Es gibt eine große Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik. Der Präsident hat viele Versprechungen im Wahlkampf gemacht. Er hat eine Energiereform durchgesetzt, die jetzt auch für die hohen Preise verantwortlich gemacht wird. Zudem steigen durch die Privatisierung des staatlichen Ölförderkonzerns die Preise statt zu sinken. Außerdem ist die Regierung auch nicht durch Menschenrechtsverletzungen positiv aufgefallen.

domradio.de: Mexikos katholische Kirche hat die Regierung ermahnt, die Preiserhöhungen zurückzunehmen. Es wäre nicht richtig, Gesetze zu verabschieden, ohne die sozialen Folgen zu bedenken, so die mexikanische Bischofskonferenz. Kritisiert die katholische Kirche im Land häufiger die Regierung?

Köhler: Das ist eher außergewöhnlich. Es gibt nur einen Bischof, der sehr aktiv ist und sich an die Seite der Armen stellt. Das ist Raúl Vera López. Aber die gesamte Bischofskonferenz ist eher zurückhaltend. In der Nachricht, die die Bischofskonferenz veröffentlicht hat, wird auch eher gesagt, man solle sich versöhnen und nicht zu Gewalt greifen. Insofern sind die Worte auch nicht sehr kritisch zu sehen. Auch die Reaktionen der Mexikaner darauf waren unterschiedlich: "Super, dass ihr was sagt", so die einen. Aber andererseits entgegneten auch sehr viele: "Das ist zu wenig, und das Wort der Kirche hat zu wenig Gewicht!"

domradio.de: Sie arbeiten in Mexiko viel mit Nicht-Regierungsorganisationen zusammen. Wie erleben diese denn die Stimmung in der Bevölkerung?

Köhler: Es ist so, dass die meisten resignieren. Einerseits klinken sich manche in den Protest ein und posten Sachen bei Facebook. Aber andererseits ist es in Mexiko zurzeit auch oft so, dass soziale Förderungsprogramme gestrichen werden und die Räume für die Zivilgesellschaft zurückgehen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt


Quelle:
DR