Katholische Studenten in Indonesien kontern Blasphemie-Vorwürfe

Den Spieß umgedreht

Im islamisch geprägten Indonesien werden immer wieder Christen wegen Blasphemie-Vorwürfen belangt. Nun schlagen katholische Studenten zurück. Sie haben einen muslimischen Geistlichen wegen Gotteslästerung angezeigt.

Indonesien: Blasphemie-Anklage gegen christlichen Gouverneur / © Bagus Indahono / Pool (dpa)
Indonesien: Blasphemie-Anklage gegen christlichen Gouverneur / © Bagus Indahono / Pool ( dpa )

domradio.de: In Indonesien ist Blasphemie - also das Beschimpfen oder das Verhöhnen Allahs - eine Straftat. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat zwischen den Jahren 2004 und 2014 insgesamt 106 Verurteilungen wegen Blasphemie dokumentiert. Meist richten sich die Anklagen gegen Christen. Doch nun wurde gegen einen islamischen Prediger Anklage erhoben - er soll das Christentum verhöhnt haben. Was ist da passiert?

Ulrich Delius (Asien-Referent der Gesellschaft für Bedrohte Völker): Es geht um ein Video, das über Weihnachten verbreitete wurde. Darin hat ein islamistischer Prediger und Gründer der Islamischen Verteidigungsfront (FPI) die Frage gestellt, wer denn Jesus bei seiner Geburt begleitet habe. Daraufhin haben katholische Studenten gesagt: "Das lassen wir uns nicht gefallen. Wenn dieser Mann hier gegen Christen hetzt, dann gehen wir auch dagegen vor. Wir drehen den Spieß um. Wir reichen selber eine Anzeige gegen diesen Islamistenführer ein."

domradio.de: Das ist mit juristischer Unterstützung von 149 Anwälten geschehen. Ist das denn ein gerechtfertigter Schritt?

Delius: Es ist auf jeden Fall ein Schritt, der die Spannungen in der ganzen Diskussion um Blasphemie in Indonesien weiter schüren wird. Dieser jetzt angeklagte Islamistenführer ist gleichzeitig einer der ganz großen Wortführer in einem anderen Verfahren wegen Blasphemie, das noch viel mehr die Medien in Indonesien bestimmt.

domradio.de: Welches Verfahren meinen Sie?

Delius: Es geht um eine Blasphemie-Anklage gegen einen bekannten und beliebten Gouverneur und Christen chinesischer Abstammung. Konservative Muslime werfen dem 50-jährigen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, Ahok Basuki, vor, während einer Diskussionsveranstaltung den Koran beleidigt zu haben. Dieses Verfahren erschüttert seit Wochen Indonesien.

domradio.de: Und was hat der islamistischer Prediger, gegen den jetzt die Studenten ein Verfahren gegen Blasphemie eingeleitet haben, damit zu tun?

Delius: Er ist der Hauptprotagonist in dem Verfahren. Das führt eben dazu, dass in Indonesien viel über Blasphemie gestritten wird. Oft geht es aber nicht um Glaubensfragen sondern um Machtfragen.

domradio.de: Die Christen sind in der Minderheit in Indonesien. Wie sieht denn das interreligiöse Miteinander aus?

Delius: Es ist nicht immer einfach. In Indonesien haben wir ungefähr einen Anteil von zehn Prozent Christen - davon rund drei Prozent Katholiken. Sie fühlen sich in der Minderheit. Lange war das Land bekannt für eine liberale Auslegung des Islam. Das hat sich in den letzten Jahren aber geändert. Es gibt viele islamistische Agitatoren. Sie sind letztlich verantwortlich, dass das Klima der Toleranz immer mehr weicht und dass wir ein konfrontatives Klima haben, wo sich die Christen doch sehr in der Minderheit fühlen.

domradio.de: Schikanen und Gewalt gegen Christen gibt es schon länger, wie sieht das aus?

Delius: Je nach Region ist diese Situation sehr unterschiedlich. Es gibt Regionen, da gibt es viele Übergriffe. Es werden Kirchen willkürlich geschlossen, da werden Gottesdienste gestört. Es hat immer wieder Probleme dieser Art gegeben. Eigentlich hatte man gehofft, dass sich unter dem neuen, bürgernahen Präsidenten Joko Widodo, der aus der Bürgerrechtsbewegung kommt, die Situation der Christen verbessern würde. Aber das ist leider nicht geschehen. Ganz im Gegenteil.

domradio.de: Warum nicht?

Delius: Auch die Regierung steht sehr unter dem Druck der Islamisten, die zum Teil Hundettausende Menschen auf die Straße bringen, um für ihre Belange zu protestieren. Das sind meistens Vorwürfe und Attacken gegen Christen und gegen andere Minderheiten, wie etwa die schiitische Minderheit, die auch verfolgt wird.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR