Katholischer Europa-Fachmann über jüngste Abstimmungen

Erleichterung über Österreich, Sorge um Italien

Ein Willkommen für Alexander van der Bellen, Arriverderci heißt es für Matteo Renzi. Sonntag war ein Tag der Entscheidungen in Europa, der widersprüchlichen Entscheidungen. Wir sprechen über die Folgen für Europa.

Autor/in:
Das Gespräch führte Silvia Ochlast
Europa im Umbruch? / © Marijan Murat (dpa)
Europa im Umbruch? / © Marijan Murat ( dpa )

domradio.de: Sie sind selbst Österreicher - sind Sie froh, dass Ihr Land jetzt doch keinen rechtspopulistischen Präsidenten bekommt?

Michael Kuhn (stellvertretender Generalsekretär Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft COMECE): Ja, ich glaube, dass das gut ist. Und vor allem bin ich froh, dass der Wahlkampf nach einem Jahr endlich vorbei ist. Wir haben noch nie einen so langen Wahlkampf in Österreich gehabt und dementsprechend erleichtert waren jetzt alle. Und das zweite, das mich erleichtert, ist, dass die Leute trotzdem nicht wahlmüde waren, sondern dass immerhin 75 Prozent zur Wahl gegangen sind.   

domradio.de: Was wissen Sie denn über kirchliche Reaktionen aus Österreich?

Kuhn: Die Reaktion, von der ich weiß, ist die des Kardinals Schönborn. Er hat dem designierten Bundespräsidenten ganz herzlich gratuliert; was er ja schon einmal gemacht hatte, nämlich am 22. Mai. Gleichzeitig hofft der Wiener Erzbischof eben auch, dass es Alexander Van der Bellen gelingen wird, über die in Österreich durch den langen Wahlkampf entstandenen Gräben Brücken zu bauen und letztendlich ein Bundespräsident für alle Österreicher zu sein. Alexander Van der Bellen hat das ja gestern bei dem langen Interview nach der Wahl selbst angekündigt, dass er das als eine seiner künftigen Hauptaufgaben sieht.

domradio.de: Also - Erleichterung mit Blick auf Österreich. Aber gleichzeitig Sorge nach dem Renzi-Rücktritt in Italien? Mit Renzi geht ja jetzt ein verlässlicher Europa-Freund...

Kuhn: Nicht nur das, sondern ich glaube, dass die Situation in Italien wirklich eine schwierige sein wird – aus verschiedenen Gründen. Wir wissen noch nicht genau, wie die Märkte darauf reagieren werden. Was für mein Gefühl besorgniserregend ist, ist, dass Renzi nicht aus dem Grund, aus dem er das Referendum ausgeschrieben hatte, das Referendum verloren hat und damit letztendlich abgewählt wurde. Sondern dass die Leute das Referendum genutzt haben, um Renzi einen Denkzettel zu erteilen. So dass die Aussage des Referendums letztlich eine andere ist als die Antwort auf die Frage, die Renzi eigentlich gestellt hatte.  

domradio.de: Sind das in Ihren Augen nicht widersprüchliche Signale, die von den Abstimmungen in den beiden EU-Staaten ausgehen?

Kuhn: Ich glaube, man kann die Situation beider Länder schwer vergleichen. In Italien ist einfach ein großer Frust da. Die wirtschaftliche Situation hat sich zwar leicht verbessert, aber die Menschen spüren noch nichts davon. Renzi aber war angetreten mit dem Versprechen, die Situation zu verbessern. Natürlich sind anderthalb Jahre keine lange Zeit, aber die Menschen sind eben ungeduldig. - Währenddessen weiß in Österreich jeder, dass der Bundespräsident doch nur relativ beschränkte Befugnisse und beschränkte Möglichkeiten hat. Hier ging es letztendlich darum zu zeigen, dass wir es überhaupt schaffen, einen Bundespräsidenten zu wählen. Es standen ja nur zwei Kandidaten zur Verfügung, denn die klassischen Volksparteien ÖVP und SPÖ hatten gar keinen eigenen Kandidaten mehr im Rennen. Die Situation ist also im Grunde nicht zu vergleichen. Was Österreich angeht, bin ich dennoch froh, dass es so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist.    

domradio.de: Die europäische Bischofskonferenz tritt ja ein für ein demokratisches und geeintes Europa - werden die Ergebnisse aus Italien und Österreich greifbare Auswirkungen für Ihre Arbeit haben?

Kuhn:  Mit Blick auf Österreich erst einmal nicht, denn man kann aus der Wahl des Bundespräsidenten noch keine Rückschlüsse ziehen auf die Wahl zum Nationalrat, die im nächsten Jahr erfolgen wird. Das heißt, es wird noch einmal spannend werden, wie es da aussieht. Und für Italien steht zu befürchten, dass wir sicher eine schwere Situation vor uns haben. Vor allem, weil die Frage sein wird, was bedeutet der Verlust von Renzi für den Euro?  Wir wissen ja, dass der Euro das europäische Projekt in den vergangenen Jahren einige Male ins Strudeln gebracht hat.


Quelle:
DR