Irakischer Bischof übt Kritik am Westen

Keine Racheakte in Mossul

Für die Befreiung von Mossul und der umliegenden Ninive-Ebene, aber gegen jegliche Racheakte spricht sich der chaldäisch-katholische Weihbischof Shlemon Warduni aus Bagdad aus. "Wir wollen Frieden und Sicherheit", sagte er.

Offensive um Mossul / © Ahmed Jalil (dpa)
Offensive um Mossul / © Ahmed Jalil ( dpa )

"Das Volk soll redlich und ruhig leben können. Wir wollen keine Rache", ergänzte der Bischof im Interview mit "Radio Vatikan" zu der begonnenen Großoffensive zur Vertreibung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) aus Mossul.

Kein "zweites Aleppo"

Seit 2.000 Jahren seien die Christen und ihre Vorfahren in der Ninive-Ebene zu Hause, sagte Warduni. Mossul dürfe sich nicht zu einem "zweiten Aleppo" entwickeln. Zwar hätten die Terroristen Dörfer, Kirchen, Moscheen und Kunstwerke zerstört und die Christen vertrieben. Die Schuld für die Geschehnisse der vergangenen zwei Jahre liege aber nicht nur bei ihnen, so der Bischof. Viele hätten dem IS "Waffen und Munition verkauft" und ihm auf dem Schwarzmarkt das illegal geförderte Erdöl abgenommen.

Die Welt habe "nur zugeschaut", kritisierte Warduni: "Es hätte genügt, den Terroristen keine Waffen zu verkaufen; es hätte genügt, ihnen die Finanzquellen abzuschneiden." Da sich aber "niemand gerührt" habe, sei der "vorübergehende Sieg des Bösen" möglich gewesen.

In der jetzigen Phase des Kampfes um Mossul und die Ninive-Ebene sei es wichtig, "dass nicht eine ethnische Gruppe über die andere triumphiert, dass es keine Racheakte gibt", betonte der Bischof.

Racheakte zu befürchten

Leider seien solche Racheakte zu befürchten, da es keinen "humanen, wahrhaft religiösen Geist" mehr gebe, so Warduni. An eine Rückkehr der Christen nach Mossul und in die Dörfer der Ninive-Ebene sei solange nicht zu denken, wie es Hass und Rache gebe, betonte der Bischof.

Die Christen der nordirakischen Millionenstadt und der umliegenden Region standen im Sommer 2014 im Visier des IS. Fahnen der Terrormiliz ersetzten die Kreuze auf den Kirchtürmen, das Grabmal des Propheten Jonas wurde gesprengt und ein "N" für "Nasrani" ("Nazarener", also Christen) wurde an Hauswänden angebracht. Christen mussten Schutzgeld bezahlen oder gehen.

Baldige Rückkehr von Christen nicht zu erwarten

Eine baldige Rückkehr der Christen von Mossul nach einer militärischen Niederlage des IS hält auch das katholische Hilfswerk "Kirche in Not" für unwahrscheinlich. "Sie haben jegliches Vertrauen verloren", sagte Mitarbeiter Berthold Pelster der Zeitung "Heilbronner Stimme" (Dienstag). Viele Menschen seien von ihren Nachbarn an den IS verraten worden und hätten nun Angst. Auch im relativ stabilen Kurdengebiet im Nordirak, wohin die meisten Christen geflohen sind, könne sich die Versorgungslage verschlechtern, fürchtet "Kirche in Not".

Hilfswerke gehen von einer neuen Flüchtlingskatastrophe in Mossul aus. Das Deutsche Rote Kreuz rechnet laut einer Stellungnahme mit 600.000 Betroffenen; das entspräche der Hälfte der aktuellen Bevölkerung. World Vision nannte die Zahl von bis zu einer Million Menschen. Für die Versorgung der Bevölkerung brauche es Korridore für Hilfsorganisationen.


Quelle:
KNA