Christen haben in Indien einen schweren Stand

Gewalt, Entführungen, Schikanen

Gewalt, Entführungen, Schikanen: In Indien nimmt die Gewalt fundmentalistischer Hindus gegen Christen und Muslime zu. Markus Rode von Open Doors berichtet im Interview von erschütternden Vorfällen.

Christen in Indien / © Jaipal Singh (dpa)
Christen in Indien / © Jaipal Singh ( dpa )

domradio.de: Viele machen den rechtskonservativen Premierminister Narendra Modi für die prekäre Lage der Christen verantwortlich, unter ihm habe sich die Lage für religiöse Minderheiten in dem Land verschärft, heißt es. Was steckt dahinter?

Markus Rode (Leiter von Open Doors Deutschland): Modi ist der Anführer der Bharatiya Janata Party (BJP), einer Partei, die den nationalistischen Hinduismus extrem befördert. Das Ziel dieser Partei ist es, zurück zu den Wurzeln zu kommen, d.h. man sagt, jeder Inder muss ein Hindu sein. Dementsprechend wird die Strategie gefahren, dass Christen möglichst kleingehalten werden. Diejenigen, die vom Hinduismus aus dem Kastensystem zum christlichen Glauben konvertieren, werden unter Druck gesetzt, zusammengeschlagen oder sogar ermordet.

domradio.de: Wie sieht der Alltag der Christen aus?

Rode: Die Kastenlosen bekehren sich zu Hunderttausenden zum christlichen Glauben. Diese sogenannten Unberührbaren sind eigentlich Dienstboten der oberen Kasten und werden nun Christen und gehören damit nicht mehr zu diesem System. Die Hindunationalisten versuchen gerade diese Menschen, die kaum Rechte haben und auch von der Ausbildung her fast keine Standards genießen, mit Druck zurück zum Hinduismus zu führen. Es gibt Großveranstaltungen mit zehntausenden Hindus, dort werden Konvertiten auf eine Bühne geführt und dazu gezwungen, sich öffentlich wieder zum Hinduismus zu bekennen. In fünf Bundesstaaten gibt es auch Antikonversionsgesetze, dort darf man auf keinen Fall den Hinduismus verlassen. Wenn es Übergriffe gibt von Mobs gegen Kirchen, Pastoren und Christen, dann unternimmt die Regierung nichts, die Täter werden nicht verfolgt. Keine Verfahren, keine Verurteilungen.

domradio.de: Müssen die Christen sich also regelrecht verstecken?

Rode: Die Christen leben ihren Glauben weiterhin öffentlich, aber sie müssen damit rechen, dass sie von Hindunationalisten überfallen werden. Mindestens jeden Tag findet so ein Übergriff statt. Die Christen wissen, dass sie für ihren Glauben einen Preis zu zahlen haben. Und der ist seit der Übernahme der Hindunationalisten deutlich höher geowrden.

domradio.de: 2008 gab es eine regelrechte Verfolgung von Christen. Gab es da mittlerweile eine Aufarbeitung?

Rode: Leider nein. Der Erzbischof von Orissa hatte eine Petition für eine Entschädigung an den obersten Gerichtshof gerichtet und dort wurde deutlich gemacht, dass es keine adäquaten Entschädigungen für die Opfer geben wird. Auch die über 6.000 Täter, die damals festgenommen worden waren, sind mittlweiweile fast alle wieder auf freiem Fuß. Es gibt nur 78, die verurteilt wurden. Die sieben falschbeschuldigten Christen hingegen, die den Hindugeisltlichen ermordet haben sollen, was ja nicht stimmt, sitzen hingegen immer noch im Gefängnis.

domradio.de: Wie wird es weitergehen?

Rode: Solange die Hindunationalisten weiter agieren können, sehen wir leider eine weitere deutliche Verschärfung der Situation für die Chisten. Wir hören immer wieder von Verletzten und Toten. Die Ohnmacht wird verstärkt, weil all das in einem Land geschieht, dass sich Demokratie nennt. Es gibt keine Strafverfolgung für Täter. Das ermutigt die Hindunationalisten geradezu, noch mehr Übergriffe zu starten, weil sie keine Konsequenzen unter Modi zu befürchten haben.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR