Nach Amoklauf: Konfliktforscher fordert mehr Prävention

Jugendliche besser integrieren

​Angesichts des Amoklaufs von München hat der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick mehr Prävention gefordert. Die Menschen müssten lernen, mit Terror und Gewalt zu leben und damit umzugehen.

"Gemeinsam gegen Gewalt", klarer Statement eines syrischen Demonstranten  / © Melanie Trimborn (DR)
"Gemeinsam gegen Gewalt", klarer Statement eines syrischen Demonstranten / © Melanie Trimborn ( DR )

"Es entwickeln sich Gewaltkulturen, wenn die Prävention nicht gut aufgestellt ist", sagte Zick in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir müssen uns der Frage stellen, wie Menschen aufgrund von psychischen Krisen, Sinnsuche oder Gewaltnähe so radikal werden, dass sie sich zu so einer Tat entscheiden." Nötig sei dabei, die Sensibilität für junge Menschen in Krisenlagen zu verbessern, erklärte der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.

Junge Menschen benötigten mehr Unterstützung für die Integration in die Gesellschaft, sagte Zick. "Jugendarbeit lohnt sich in Zeiten, wo das Internet erlebnisreicher ist als der Alltag, mehr denn je."

Lernen, mit Terror zu leben

Auch die Gesellschaft muss sich nach Einschätzung des Wissenschaftlers stärker als bisher auf Gewalt und Terror einstellen.

"Wir müssen lernen, mit Terroranschlägen umzugehen", sagte Zick. Zum Teil lernten bereits Schüler in der Schule, was bei einem Amokfall zu tun sei. Gewalt in der Öffentlichkeit gegen Unbeteiligte kann nach Worten Zicks zunehmen. In modernen Gesellschaften, in denen Leistungsdruck und Vereinzelung herrschten, sei das ein Thema, "auf das wir uns einstellen müssen".

Keine Stigmatisierungen

Der Wissenschaftler warnte davor, jugendliche Zuwanderer unter Generalverdacht zu stellen. Für eine Gewalteskalation wie in München oder Würzburg sei weniger der Migrationshintergrund der Täter verantwortlich. Wichtigere Faktoren seien Krisen, leichte Waffenbeschaffung, kriminelle Milieus, wenig Beratung und fehlende Beziehungen. Migration könne dann ein Gewicht haben, wenn Täter sich in ein Bild hineinsteigerten, dass sie als Migranten minderwertig sind. Der Münchner Täter sei ein junger deutscher Erwachsener gewesen. "Jetzt den Migrationshintergrund heranzuziehen, schafft unter jungen Menschen mit Migrationsgeschichte eine Unruhe, die niemand braucht."

Die Ursachen für einen Amoklauf sind laut Zick unterschiedlich. Manche Täter litten unter psychischen Störungen, erläuterte der Wissenschaftler. Andere suchten Beziehungen und würden sie in gewaltorientierten Milieus finden. Eine weitere Gruppe suche Sinn und Identität durch Gewalt. "Dass sie Andere in den Tod reißen, liegt oft daran, dass sie alle Schuld für Krisen auf die Außenwelt schieben."


Quelle:
epd