Nach dem Anschlag in den USA kämpfen Muslime um ihr Ansehen

Zwischen Blutspende und Generalverdacht

Die muslimische Minderheit in den USA fürchtet, nach dem Attentat von Orlando unter Generalverdacht zu geraten. Die Hetzparolen eines Donald Trump riefen jetzt sogar Präsident Barack Obama auf den Plan.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Muslime gedenken der Opfer von Orlando / © George Wilson (dpa)
Muslime gedenken der Opfer von Orlando / © George Wilson ( dpa )

Mahmoud ElAwadi will ein Beispiel für andere US-Muslime geben. Trotz des laufenden Fastenmonats Ramadan spendet er Blut für die Opfer des Attentats von Orlando. "Schenkt euer Blut unseren amerikanischen Mitbürgern, die verletzt sind", postet der Finanzberater bei Merrill Lynch auf seiner Facebook-Seite.

Gesten der Anteilnahme

Es ist eine von unzähligen Gesten, mit denen Muslime überall in den USA ihre Anteilnahme nach dem Anschlag auf einen Nachtclub zeigen, bei dem der 29-jährige Omar Mateen am Sonntag 49 Menschen tötete - nachdem er einen Treueschwur auf die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) abgegeben haben soll. Andere greifen ins Portemonnaie, um den Angehörigen zu helfen. Allein in der Florida-Niederlassung des "Rates für Amerikanisch-Islamische Beziehungen" (CAIR) gingen in den ersten 24 Stunden nach dem Attentat mehr als 44.000 US-Dollar (39.000 Euro) Spenden ein.

Rund um den Tatort bieten muslimische Freiwillige ihre Hilfe an. Sie beten in den Moscheen für die Opfer des verheerendsten Angriffs eines Einzeltäters in der Geschichte der USA. Und selbstverständlich kommen sie überall im Land zu stillen Gedenken und Kerzenandachten. Führende Islamvertreter geben derweil ein Interview nach dem anderen, in dem sie den Terroranschlag auf das Schärfste verurteilen und sich von dem Täter distanzieren.

Der Dachverband CAIR schickte eigens einen Sprecher in das kleine "Islamische Zentrum" von Fort Pierce, das von Medienanfragen überrollt zu werden drohte. Hier betete der Attentäter zwei Tage vor dem Anschlag. Dass in der 1990 gegründeten Moschee auch Moner Mohammad Abusalha zum Freitagsgebet kam, der sich später als IS-Freiwilliger in Syrien in die Luft sprengte, wirft Fragen auf.

CAIR-Sprecher Wilfredo Ruiz hat dafür keine bessere Erklärung als zufällige Umstände. So sehen das auch die Gemeindemitglieder, die weder Abusalha noch Mateen als besonders religiös in Erinnerung haben. Ruiz nimmt die Medienpräsenz zum Anlass, auf das Früherkennungsprogramm der Organisation für gefährdete und instabile Personen aufmerksam zu machen. Er weiß, dass die Muslime in den USA vor bewegten Zeiten stehen. Mit jedem neuen Attentat mit mutmaßlichen oder tatsächlichen islamistischen Hintergründen verschlechtert sich das Image einer Einwanderergruppe, die bis zu den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 als vorbildlich integriert galt.

Die ersten Muslime kamen als Sklaven in die USA. Heute machen sie rund ein Prozent der Bevölkerung aus, gelten als wirtschaftlich erfolgreich und verfügen nach den Juden über den höchsten Bildungsstand. Nun jedoch müssen sie auch die Konsequenzen aus den Hetzparolen von Donald Trump fürchten. Der republikanische Präsidentschaftskandidat könnte tatsächlich ins Weiße Haus gewählt werden.

Donald Trump verschärft den Ton

Trump, der schon im Vorwahlkampf mit der Forderung eines generellen Einreiseverbots für Muslime punktete, verschärfte nach dem Attentat von Orlando noch einmal den Ton. Es gebe Tausende potenzielle Mörder wie Mateen im Land, polterte Trump. Die Muslime wüssten darum und täten trotzdem nichts. Das Ergebnis seien "Tod und Zerstörung". Ob solche Aussagen mit der Wirklichkeit viel zu tun haben? Laut einer Studie der Duke University in North Carolina liefern Muslime den Behörden mehr Hinweise auf mögliche Gewalttäter als die Geheimdienste.

Obama erschüttert

Dem noch amtierenden Präsidenten Barack Obama riss jedenfalls der Geduldsfaden. "Wo soll das enden?", fragte er, sichtlich erschüttert. "Werden wir alle muslimischen Amerikaner anders behandeln? Werden wir anfangen, sie einer besonderen Beobachtung zu unterziehen? Werden wir beginnen, sie wegen ihres Glaubens zu diskriminieren?"

Dana Milbank von der "Washington Post" - jener Zeitung, die Trump unlängst von seinen Wahlkampfauftritten ausschloss - wagte in seiner Kolumne gar einen Vergleich mit der Judenverfolgung unter den Nationalsozialisten. Wie lange werde es wohl dauern, "bis amerikanische Muslime dazu gezwungen werden, gelbe Abzeichen mit Stern und Halbmond zu tragen?"


Quelle:
KNA