Kirchenspitze in Polen schweigt zur Verfassungskrise

Kein Kommentar

Ganz Polen diskutiert seit Wochen über den Konflikt zwischen der neuen Regierung und dem Verfassungsgericht. Doch eine einflussreiche Institution hält sich aus dem Streit heraus: Die katholische Kirche.

Autor/in:
Oliver Hinz
Wojciech Polak brachte den Fall ins Rollen / © Grzegorz Boguszewski (KNA)
Wojciech Polak brachte den Fall ins Rollen / © Grzegorz Boguszewski ( KNA )

Wenn es in Polens Parlament um künstliche Befruchtung oder Genderismus geht, melden sich die Bischöfe des Landes schnell und deutlich zu Wort. Davon kann die rechtsliberale Ex-Ministerpräsidentin Ewa Kopacz ein Lied singen. Als sie im vergangenen Sommer ein Gesetz zur Regelung der sogenannten In-vitro-Fertilisation durchsetzte, bescheinigte ihr der Stettiner Erzbischof Andrzej Dziega, sie widerrufe damit selbst ihre "volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche". Er riet Kopacz, auf den Empfang der Kommunion in Gottesdiensten zu verzichten, solange sie ihren Fehler nicht bereue.

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Ganz anders verhält sich die Spitze der Polnischen Bischofskonferenz im heftigen Konflikt des Verfassungsgerichts mit der neuen nationalkonservativen Regierung, die seit November an der Macht ist. Sie vermeidet jeden Kommentar. Und das, obwohl sich der Streit längst zu einer Verfassungskrise zugespitzt hat und das Land spaltet. In den vergangenen beiden Monaten gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße, um gegen die Entmachtung des obersten Gerichts zu protestieren.

Kritik von verschiedenen Seiten

15 ehemalige Staats- und Parlamentspräsidenten sowie Regierungschefs riefen dazu auf, die Unabhängigkeit und Autorität des Verfassungsgerichts zu verteidigen. Widerstand kommt auch von zahlreichen angesehenen Juristen. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Andrzej Zoll, warnte die Regierungspartei PiS davor, mit ihrem Vorgehen gegen das höchste Gericht aus der demokratischen polnischen Republik eine Diktatur zu machen. Die EU-Kommission leitete inzwischen ein Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in dem Mitgliedstaat ein. Sie will prüfen, ob durch die von Warschau beschlossene Reform des Gerichts die Rechtsstaatlichkeit gefährdet ist und die Regierung Polens offiziell zu Änderungen aufgefordert werden muss.

Kritiker sehen das Verfassungsgericht so sehr geschwächt, dass es umstrittene neue Gesetzesbeschlüsse nicht mehr wirksam kontrollieren könne. Die nationalkonservative Mehrheit im Parlament hatte im Dezember gegen die Stimmen der Opposition festgelegt, dass das Tribunal seine Entscheidungen statt mit einfacher Mehrheit künftig mit Zwei-Drittel-Mehrheit fällen muss. Eine Urteilsfindung wird zudem dadurch erschwert, dass nicht mehr kleine Kammern die Entscheidungen treffen, sondern bei Verhandlungen des Gerichts mindestens 13 der insgesamt 15 Richter anwesend sein müssen. Die Handlungsfähigkeit wird weiter verringert, indem eingereichte Klagen nunmehr chronologisch abgearbeitet werden müssen, ohne dass wichtige Fälle vorgezogen werden können.

Experten: Kirche will sich raushalten

Polnische Kirchenexperten sind sich einig: Die Bischöfe wollten sich von keiner politischen Seite instrumentalisieren lassen und halten sich deshalb aus dem Streit heraus. Schon die Vorgängerregierung habe Einfluss auf das Verfassungsgericht nehmen wollen, sagt Andrzej Grajewski von der katholischen Wochenzeitschrift "Gosc Niedzielny". "Deshalb will die Kirche in diesem Streit nicht Partei ergreifen." Der Sprecher der Bischofskonferenz äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema.

Die Bischöfe der ersten Reihe befürworten in der Öffentlichkeit weder den Umbau des Verfassungsgerichts durch die Regierung, noch kritisieren sie ihn. Das lässt sich auch so verstehen, dass sie den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung nicht ernsthaft bedroht sehen.

Kritik am Regierungsstil

Der ehemalige Generalsekretär der Bischofskonferenz, der emeritierte Weihbischof Tadeusz Pieronek, hingegen erinnerte die PiS daran, dass sie trotz ihres Wahlsiegs kein Mandat habe, "gegen geltendes Recht zu verstoßen". Er unterstütze die Regierungsziele in vielen Bereichen, sagte er in einem Interview. Es komme aber auf den Regierungsstil an: "Mich regt die drakonische Weise auf, mit der Änderungen durchgeführt werden. Das sind unethische Änderungen."

Damit spielt der Bischof auf die Eile an, mit der das umstrittene Gesetz in nächtlichen Sitzungen vom Parlament beraten wurde. Die Wähler hätten, so Pieronek, "nicht für eine Revolution und eine Spaltung der Nation" gestimmt, sondern für gute Veränderungen.


Quelle:
KNA