Spannung vor dem Urnengang

Richtungswahl in Venezuela

In Venezuela droht den herrschenden Sozialisten am Sonntag eine Wahlniederlage. Die venezolanische Kirche fordert einen transparenten Ablauf der Abstimmung.

Autor/in:
Tobias Käufer
Venezuelas Präsident Maduro (dpa)
Venezuelas Präsident Maduro / ( dpa )

Der Teufel hat in Venezuela ein Gesicht und einen Namen. Er heißt Lorenzo Mendoza, ist einer der wichtigsten Unternehmer des Landes und war in dieser Woche Zielscheibe von verbalen Angriffen des sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro.

Der nennt Mendoza in seiner eigenen TV-Show "En Contacto con Maduro" einen "Parasiten", einen "Teufel", der seine gerechte Strafe noch erhalten werde, weil er dem Volk wichtige Produkte vorenthalte.

Bedrohungen und Beleidigungen

Mendoza hält sich an diesem Tag in einem Baseballstadion auf. Als die Menschen ihn erkennen, feiern sie den Chef des Getränkeherstellers Polar mit Sprechchören. Mendoza ist populär, weil der jugendlich wirkende Firmenchef nicht mit Pöbeleien antwortet, sondern seine Meinung zur Lebensmittelknappheit sachlich und ruhig vorträgt.

Die Szene vor einigen Tagen zeigt, warum Präsident Maduro bei den auf dem ganzen Kontinent mit Spannung erwarteten Parlamentswahlen seine Mehrheit zu verlieren droht. Schon lange präsentieren die führenden Köpfe der regierenden Sozialisten keine neuen Vorschläge, keine Visionen mehr. Stattdessen demütigen, beleidigen und bedrohen Maduro und Parlamentspräsident Diosdado Cabello öffentlich politisch Andersdenkende.

Denkzettel für Regierung

Die regierenden Sozialisten dominieren nahezu alle Regionalregierungen, das nationale Parlament, die Justiz, die Sicherheitskräfte und die staatlichen Medien. Und doch ist nach offizieller Lesart die Opposition Schuld am wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Niedergang des Landes. Die Umfragen jedoch sprechen eine andere Sprache: Die Mehrheit der Venezolaner will der Maduro-Regierung am Sonntag einen Denkzettel verpassen. Nicht etwa, weil sie die konservativ-bürgerliche Opposition zwingend für die bessere Lösung hält, sondern weil sie vom Wunschnachfolger des 2013 verstorbenen populären und charismatischen Hugo Chavez und dessen Lager tief enttäuscht sind.

Lange Schlangen vor dem Supermarkt, leere Regale, eine gigantische Inflation und wachsende Kriminalität sind Maduros Bilanz. Doch die politische Kraft, die alle Zügel in der Hand hält, argumentiert stets nach dem gleichen Muster: Die Opposition sabotiere die Wirtschaft, der Yankee verbreite Lügen. Genau das aber glauben viele Venezolaner nicht mehr.

Bischofskonferenz fordert Wahlbeobachter

Trotz des deutlichen Vorsprungs, den die Umfrageinstitute der Opposition vorhersagen, bedeutet dies nicht, dass sie auch die Mehrheit im Parlament gewinnen wird. Noch unter Chavez hatten die Sozialisten mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Zuschneidung der Wahlbezirke so ändern lassen, dass sie von einer optimalen Ausschöpfung ihres Wählerpotenzials profitieren können.

Die Venezolanische Bischofskonferenz hat den staatlichen Wahlrat CNE aufgefordert, einen legalen Ablauf der Parlamentswahlen zu garantieren. In einer Erklärung der Bischöfe heißt es, die Präsenz von unabhängigen internationalen Wahlbeobachtern sei eine Hilfe, das Vertrauen und die Transparenz der Wahl zu stärken. Wer ein unabhängiger Beobachter ist, bestimmt allerdings ganz allein die Regierung in Caracas selbst und verweigert etwa der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einen entsprechenden Status.

Sorge vor paramilitärische Banden

Kardinal Jorge Urosa Savino sorgt sich vor allem wegen der sogenannten Colectivos. Das sind regierungsnahe linke paramilitärische Banden, die schon bei den Präsidentschaftswahlen 2013 in oppositionellen Hochburgen Angst und Schrecken verbreiteten und Wähler einschüchterten. "Wir wollen keine bewaffneten Gruppen in der Stadt und vor den Wahllokalen sehen, die jene Menschen bedrohen, die nicht mit ihrer politischen Linie übereinstimmen", sagte Urosa vor wenigen Tagen.

Unterdessen schürt Maduro genau diese Angst. Sollte seine Regierungspartei PSUV die Wahlen verlieren, werde die Revolution auf der Straße verteidigt. Eine unverhohlene Bürgerkriegsdrohung sei das, wirft ihm die Opposition vor, deren prominenteste Köpfe Maduro in den vergangenen Jahren verhaften und verurteilen ließ. Kardinal Urosa forderte Maduro vorsorglich schon einmal auf, die Ergebnisse der Wahlen am Sonntag anzuerkennen. Venezuela steht ein hitziger Wahltag bevor.


Quelle:
KNA