Pariser Pfarrer über die Stimmung in der Stadt

Eingewickelt in eine schwere Decke

Über Paris liegt eine dunkle Gedämpftheit. So empfindet es Pfarrer Wolfgang Sedlmeier, der dort die deutschsprachige katholische Gemeinde leitet. Im domradio.de-Interview erzählt er von seinen Gefühlen knapp fünf Tage nach den Anschlägen.

In der Rue de la Fontaine-au-Roi in Paris / © Malte Christians (dpa)
In der Rue de la Fontaine-au-Roi in Paris / © Malte Christians ( dpa )

domradio.de: Wie geht es Ihnen in diesen unruhigen Tagen in der französischen Hauptstadt?

Pfarrer Wolfgang Sedlmeier (Katholische Gemeinde Sankt Albertus Magnus, Paris): Es ist ein bisschen wie eine schwere Decke, die über der Stadt hängt. Eine dunkle Gedämpftheit. Ich fühle mich in diese Stimmung eingewickelt.

domradio.de: Wenn Sie das Haus verlassen: Tun Sie es mit einem mulmigen Gefühl?

Pfr. Sedlmeier: Es kommt darauf an. Hier im Viertel weniger. Aber meine Sorge ist, dass in der Metro etwas passieren könnte. Da, wo sehr viele Menschen sind, und wo man schlecht kontrollieren kann. Wenn sich da jemand in die Luft sprengen würde, das wäre furchtbar. 

domradio.de: Findet das öffentliche Leben denn wieder einigermaßen statt?

Pfr. Sedlmeier: Im Fernsehen haben Kommentatoren gesagt, es sei wieder so wie vorher. Das ist es aber nicht. Die Eindrücke sind viel zu stark, als dass man wieder zur Tagesordnung übergeht. Ich finde, Paris ist zurzeit ruhiger. In allen Gesprächen sind die Ereignisse das Thema. Es ist eine Mischung aus Trauer, Wut und Angst. Solange man sagen muss, dass nicht alle Attentäter gefasst sind, wird sich die Lage auch nicht beruhigen. Das war bei Charlie Hebdo sehr ähnlich. Entspannung kam erst, nachdem die Attentäter gefasst waren.

domradio.de: Kirche kann in diesen Tagen Stellung nehmen und zum Frieden aufrufen. Aber Kirche kann auch Trost bieten. Was können Sie Ihren Gemeindemitgliedern in diesen Tagen anbieten?

Pfr. Sedlmeier: Wir bieten nichts Besonderes an. Aber natürlich hat sich alles geändert. Am Sonntag hatten wir statt einer normalen Messe ein Requiem für die Verstorbenen und ihre Familien. Wir haben auch für die Attentäter gebetet. Und bei all unseren Zusammenkünften nehmen wir uns Zeit, dass wir uns gegenseitig erzählen. Jeder hat im Moment das Bedürfnis, dem anderen zu erzählen, wie er die Situation erlebt hat und wie es ihm gerade geht.

domradio.de: Welche Antwort haben Sie für diejenigen, die danach fragen, wie Gott so etwas zulassen konnte?

Pfr. Sedlmeier: Mich erschreckt vielmehr, dass die Attentäter möglicherweise gerufen haben: Allah ist groß. Dieses Gottesbild erschreckt mich. Für mich ist sonnenklar, dass Gott nicht derjenige ist, der so etwas tut. Die Frage, wie Gott so etwas zulassen kann, stellt sich so für mich nicht. Das sind Menschen, die so etwas tun. Eine pervertierte menschliche Freiheit kann auch das.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR