Bischof Cabrera aus Guatemala bewertet Präsidentschafts-Kandidaten

Wahl zwischen Pest und Cholera

In Guatemala finden am Sonntag Wahlen statt. Die Kandidaten: eine ehemalige First Lady und ein TV-Komiker. Bischof Julio Cabrera Ovalle erklärt im domradio-Interview, warum er keinen der beiden wirklich favorisiert.

Armut in Guatemala / © Saul Martinez (dpa)
Armut in Guatemala / © Saul Martinez ( dpa )

Julio Cabrera Ovalle ist heute Bischof von Jalapa. Davor aber war er dreizehn Jahre lang Oberhirte im Quiché, der Region Guatemalas, in der während des 36 Jahre langen Bürgerkrieges (1960-96) die meisten Menschenrechtsverletzungen begangen wurde.

domradio.de: Wie bewerten Sie die jüngsten politischen Entwicklungen in Guatemala?

Julio Cabrera: Ich bin erst einmal sehr glücklich darüber, was in unserem Land von April bis August passiert ist. Wir erleben gerade einen Moment großer politischer Hoffnung für Guatemala. Wir hoffen, dass die jungen Leute, die sehr aktiv sind im Moment und das Volk, das sehr wachsam ist, alles dafür tun werden, dass die Korruption endlich ausgemerzt und die Justiz nicht mehr für politische Zwecke missbraucht wird. Dass wir endlich Regierungen bekommen, die nicht mehr damit beschäftigt sein werden, sich selbst zu bereichern, sondern sich den großen Herausforderungen dieses Landes zu stellen.

domradio.de: Einer der beiden Kandidaten ist der TV-Komiker Jimmy Morales – was halten Sie von ihm?

Cabrera: Ich bin überhaupt kein Fan von Jimmy Morales. Erstens weil Jimmy Morales die Hardliner der Militärs an seiner Seite hat. Der größte Teil der Stimmen, die er in der ersten Runde bekommen hat, gehen auf das Konto der Paramilitärs, die noch immer gut organisiert sind und auf das Kommando der Militärs hören. Und er selbst sagt, dass er sich nicht sehr fähig fühlt, Guatemala  zu regieren, dass er aber sehr gute Berater hat. Und diese Berater – das sind eben die Militärs. Wenn wir auf unsere Vergangenheit schauen – die grauenhaften Kriegsverbrechen, die Wunden der Opfer und ihrer Angehörigen – wie können wir da Jimmy Morales wählen?!

domradio.de: Haben Sie denn Angst, dass unter einer Regierung Morales die Schrecken des Bürgerkrieges in Guatemala wieder aufleben könnten?

Cabrera: Nein, das, was in der 80er Jahren hier passiert ist, das werden wir nicht wieder erleben! Das Volk hat sich weiter entwickelt. Außerdem gibt es ja zwei Berichte, die die ganze Wahrheit über die Grausamkeit der während des Krieges begangenen Verbrechen offen gelegt haben -  das wissen die Menschen. Da hat doch ein tiefgreifender Wandel stattgefunden. Die Jugend von heute ist nicht mehr so passiv und das Volk ist wachsamer als damals.  Aber wir dürfen die Augen nicht verschließen, denn wir haben heute andere Feinde. Das ist die grenzenlose Gier nach Geld, die das organisierte Verbrechen antreibt und das Geschäft mit den Drogen.

domradio.de: Schauen wir auf die Gegenkandidatin Sandra Torres. Sie ist die Ex-Gattin des Ex-Präsidenten Alvaro Colom und Kritiker werfen ihr vor, Teil des korrupten Systems zu sein…

Cabrera: Auch ich bin keineswegs  begeistert von Sandra Torres. Wenn ich allerdings die Wahl zwischen diesen beiden Kandidaten habe, bleibt mir nichts anderes übrig als für Sandra Torres zu stimmen. Sie hat angekündigt, dass sie im Falle ihres Sieges ein Team der fähigsten Köpfe auch gegensätzlicher politischer Ausrichtungen bilden will. Das klingt zwar gut, wird aber in der Realität wohl eher nichts. Sprich: Auch ich habe große Zweifel, ob sie die Richtige ist, die schweren Probleme des Landes anzugehen.

domradio.de: Was sind denn die größten Herausforderungen für den künftigen Präsidenten?

Cabrera: Für mich liegt das Hauptproblem darin, dass nicht wirklich Konsequenzen aus den Berichten über die Bürgerkriegsverbrechen gezogen worden sind. Das heißt: die Grundprobleme sind weiter nicht angegangen worden. Die Gesellschaft ist weiter eine zutiefst gespaltene. Der Reichtum des Landes liegt auch weiter in einigen sehr wenigen Händen. Das Problem der ungerechten Landverteilung etwa besteht nach wie vor – und das ist sehr schlimm. Und: Ich weiß, dass es in Guatemala  viele Leute gibt, die keinen wirklichen Wandel für das Land wollen...

Das Interview führte Hilde Regeniter


Bischof Julio Cabrera Ovalle im Portrait (Adveniat)
Bischof Julio Cabrera Ovalle im Portrait / ( Adveniat )

Bischof Julio Cabrera Ovalle (Adveniat)
Bischof Julio Cabrera Ovalle / ( Adveniat )
Quelle:
DR