In Mali bauen Frauen verschiedener Ethnien zusammen Gemüse an

Ein Garten des Friedens

Die Schrecken von Flucht und Krieg scheinen vorbei. Im Norden Malis bepflanzen, jäten und gießen Frauen aller Volksgruppen Seite an Seite ihre Beete. Doch nun rücken die Milizen der Islamisten wieder näher.

Autor/in:
Bettina Rühl
Kinder in Mali / © Jens Grossmann/MISEREOR
Kinder in Mali / © Jens Grossmann/MISEREOR

Zwischen einem Meer aus Sanddünen wachsen Salat, Tomaten, Kohl und Karotten. Bäume und Büsche schützen das Gemüse vor der Sonne. Der Anblick dieses satten Grüns am Rand der Wüstenstadt Timbuktu im Norden Malis überrascht. Möglich ist dieser Garten Eden nur, weil die Pflanzen regelmäßig bewässert werden. Diese Arbeit erledigen rund 600 Frauen unterschiedlicher Ethnien, die auf etwa viereinhalb Hektar nebeneinander kleine Felder bestellen.

"Ich bin sehr dankbar für dieses Stück Land", sagt Aichatou Traoré, die zu den Gärtnerinnen gehört. Die 55-Jährige trägt bunte afrikanische Stoffe und hat ihr Haar mit einem Kopftuch bedeckt. Wie 99,9 Prozent aller Menschen hier im Norden Malis ist sie Muslimin. Gelebt wird hier schon seit Jahrhunderten ein friedliebender, toleranter Islam. Mit dem Glauben der radikalen, al-Kaida-nahen Milizionäre, die Malis Norden im Frühjahr 2012 eroberten, habe ihre Religion "nichts zu tun", ist Traoré überzeugt.

Gewalt an Söhnen und Töchtern

Nachdem radikale Tuareg und Islamisten im Frühjahr 2012 auch in die historische Oasenstadt Timbuktu einmarschiert waren, ergriff Traoré mit ihren Kindern und den Kindern ihrer gestorbenen Schwester die Flucht. Vorher hatten die Milizionäre zwei ihrer Töchter für zwei Nächte ins Gefängnis gesperrt, und zwei ihrer Söhne geschlagen. "Danach befürchtete ich das Schlimmste», erinnert sich Traoré, die das Wässern ihrer Tomaten und Salatköpfe für ein Gespräch unterbricht. Die Flüchtlinge fanden notdürftige Unterkunft im benachbarten Niger und warteten auf die erste Möglichkeit der Rückkehr.

Dieser Moment kam rund acht Monate später. Im Januar 2013 wurden Islamisten und Tuareg von der französischen Armee in die Flucht geschlagen. Einige Wochen später kehrten Traoré und Tausende weitere Flüchtlinge nach Timbuktu zurück. "Unser Haus stand nicht mehr", erzählt die 55-Jährige. "Ich fand nur noch ein paar alte Matten, sie waren hier und da verstreut." Traoré sammelte die Überreste ihres alten Lebens ein und fing an, sich um das tägliche Überleben zu kümmern.

Sie und die anderen Mütter hatten schon größte Mühe, ihre Kinder zu ernähren. Das trockene Klima ist in Timbuktu ohnehin oft schwer erträglich. Jeder Ausfall von Regen setzt den wenigen Feldfrüchten zu. Noch schwieriger war die Lage, nachdem Felder und Vieh acht Monate lang sich selbst überlassen gewesen waren. Das Ackergerät war, wie der meiste Hausrat, verschwunden. Und auch die meisten Tiere waren weg.

"Garten des Friedens" der Welthungerhilfe

Um die Bevölkerung, darunter vor allem Mütter und Kinder zu unterstützen, kam die Deutsche Welthungerhilfe auf die Idee mit dem Gemüsegarten. Den "Garten des Friedens" gibt es in Timbuktu seit dem Ende des ersten Tuareg-Aufstands 1992. Damals wurde ein Denkmal errichtet, und von da an pflanzte jeder durchreisende Politiker einen Baum. "Aber zwischen den spärlichen Bäumen war nur Sand", sagt Regina Tauschek von der Welthungerhilfe. "Weil niemand die Fläche bewässerte, unterschied sie sich nicht von der Wüste rundum."

Das hat sich dank der Arbeit der Gärtnerinnen inzwischen von Grund auf verändert, die Wasser aus einem Tank holen, der mit einer Solarpumpe gefüllt wird. "Die Frauen in diesem Garten kommen aus allen ethnischen Gruppen", betont Tauschek. Alle gehören zu den besonders Bedürftigen: Vertriebene, die zurückgekehrt sind, Witwen, Frauen mit vielen Kindern. Wer ein Feld bekommt, bestimmen die Frauen in selbstverwalteten Gruppen. Auf den Feldern arbeiten Tuareg, Songhai und Mauren zusammen, «und es funktioniert eigentlich bestens», versichert Tauschek.

Die Ziele: Ernährung und Miteinander

Das ist nicht selbstverständlich, denn mit der islamistischen Besatzung entstanden in Timbuktu ethnische Spannungen. Angehörige von Ethnien mit heller Haut galten als potenzielle Komplizen der überwiegend hellhäutigen Islamisten. Inzwischen leben alle wieder friedlich zusammen, wie Traoré und die anderen Frauen bekräftigen. Neben der Ernährung ist das gute Miteinander der Volksgruppen ein wichtiges Ziel des Projekts.

Obwohl Ernte und Stimmung im Garten gut sind, sieht Tauschek zwei Probleme: Erstens ist der Andrang riesig, es gibt viel zu wenig Felder. Und zweitens hat sich die Sicherheitslage in Timbuktu in den vergangenen Monaten wieder deutlich verschlechtert. Das sei für die internationalen Helfer «wirklich die größte Sorge», sagt Tauschek.

   Denn radikale Tuareg und Islamisten sind schon nahe an Timbuktu herangerückt. Immer wieder verüben sie Anschläge, das Risiko einer Entführung ist hoch. Gefährdet sind auch die malischen Helfer, denn Islamisten und Tuareg-Milizionäre verminen die Pisten. Ob die derzeitigen Friedensverhandlungen zwischen mehreren Tuareg-Gruppen und der Regierung eine Besserung für die Menschen in Timbuktu bringen, ist offen. Der Garten bewährt sich derweil als Oase des Friedens in einem Umfeld, das wieder feindlicher wird.


Quelle:
epd