Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie Bartholomaios I. wird 75

"Grüner Patriarch" - Erster unter Gleichen

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. wird am Sonntag 75. Jahre alt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, würdigte seine "geistige Kraft" und sein "unermüdliches Wirken für die Ökumene".

Autor/in:
Bettina Dittenberger
 (DR)

Einen Löffel voll Pistazienharz lässt Patriarch Bartholomaios I. gerne reichen, wenn er Besucher empfängt. Gelegentlich kommt es bei solchen Audienzen auch vor, dass er selbst aufsteht und aus einem Silberschälchen reihum Schokoladenplätzchen anbietet. Er hält die türkische Gastfreundschaft hoch, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der 270. Nachfolger des Apostels Andreas. Am Sonntag - eigentlich am 29. Februar - wird Bartholomaios I. 75 Jahre alt.

Würde und Gelassenheit strahlt Bartholomaios I. mit seinem langen weißen Bart aus; beide Eigenschaften kann er gebrauchen. Als spirituelles Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen in aller Welt ist Bartholomaios I. zugleich Bürger eines zu 99 Prozent muslimischen Staates, der seiner christlichen Minderheit misstraut. Weltweite Anerkennung findet Bartholomaios I. auch für sein ökologisches Engagement, das ihm den Ehrennamen "Grüner Patriarch" einbrachte.

Türkei erkennt Bartholomaios I. nicht an

"Erster unter Gleichen" ist er als Patriarch von Konstantinopel unter den Oberhäuptern der orthodoxen Kirchen - allerdings ohne Jurisdiktionsgewalt. Die türkischen Behörden erkennen die gesamtorthodoxen Aufgaben des Patriarchates nicht an. Sie sehen in Bartholomaios I. lediglich den obersten Seelsorger der wenigen tausend in der Türkei verbliebenen griechisch-orthodoxen Christen. Während deren Zahl stetig sinkt, sind dem Patriarchat jedoch direkt rund 3,5 Millionen Gläubige in Teilen von Griechenland sowie in der Diaspora in Nord- und Südamerika, Mittel- und Westeuropa sowie in Australien unterstellt.

Seit der Gründung der Republik vor 90 Jahren muss der Patriarch Türke sein: staatliche Bedingung für den Verbleib des Patriarchates in Istanbul, dem früheren Konstantinopel, wo es seit 1.700 Jahren ansässig ist.

Mit Deutschland intensiv verbunden

Als Dimitrios Archondonis wurde Bartholomaios I. am 29. Februar 1940 auf der Ägäis-Insel Imbros geboren, die trotz ihrer rein christlich-griechischen Bevölkerung 1923 aus strategischen Gründen zur Türkei geschlagen worden war. Nur wenige orthodoxe Christen blieben nach dem Ersten Weltkrieg in der Türkei. Rund eine Million Christen wurden 1923 aus Anatolien nach Griechenland umgesiedelt; es blieben etwa 100.000 Orthodoxe in Istanbul und auf den türkischen Inseln.

Ausschreitungen, Auswanderungen und Ausweisungen hatten diese Minderheit bereits weiter dezimiert, als Bartholomaios I. zum Priester geweiht wurde. Nach einem Studienaufenthalt in Rom Anfang der 60er Jahre wechselte er zum Weiterstudium nach München. Deutschland ist er seit dieser Zeit intensiv verbunden.

Zurück in der Türkei, absolvierte Bartholomaios I. das traditionsreiche Priesterseminar auf der Insel Chalki vor Istanbul. 1971 ordnete Ankara die Schließung des Seminars an. Wie islamische Imame vom Staat ausgebildet, besoldet und kontrolliert würden, so müsse auch die christliche Theologie dem Staat unterstehen, verlangt die Türkei bis heute. Die Kirche lehnt das ab.

Frage der Nachfolge noch nicht geregelt

Als Bartholomaios 1991 zum Patriarchen gewählt wurde, durfte auf Chalki schon seit 20 Jahren nicht mehr gelehrt werden; die Seelsorge für die 2.000 bis 3.000 orthodoxen Christen in der Türkei ist gefährdet. Als Notmaßnahme vereinbarte Bartholomaios I. mit der türkischen Regierung deshalb die Blitzeinbürgerung orthodoxer Geistlicher aus dem Ausland. Damit ist aber auch an seinem 75. Geburtstag die irgendwann anstehende Frage der Nachfolge noch nicht wirklich geklärt. Ein türkischer Staatsbürger muss es sein.

Eine Neueröffnung von Chalki, die das Problem grundsätzlich lösen würde, ist vorerst nicht zu erwarten. Die Regierung in Ankara deutete zwar mehrmals ihre Gesprächsbereitschaft an, verknüpft das Thema seit einiger Zeit aber wieder direkt mit der Forderung nach Verbesserungen für die türkisch-muslimische Minderheit in Griechenland.

Einigungsgespräche wieder aufgenommen

Bartholomaios I. setzt sich für eine Annäherung zwischen Orthodoxie und Katholizismus ein. Die Kirchen hatten sich vor knapp 1.000 Jahren im Streit getrennt. Mit Papst Benedikt XVI., der ihn 2006 in Istanbul besuchte, sorgte der Patriarch für eine Wiederaufnahme der Einigungsgespräche, die jahrzehntelang brachgelegen hatten. Mit Benedikts Nachfolger Franziskus gab Bartholomaios I. dem Gesprächsprozess zuletzt weitere Impulse.

So hoch angesehen der Patriarch in der Welt ist, so schwer ist seine Lage in der Türkei. "Wir lieben unser Land", versichert Bartholomaios I. immer wieder - doch das Misstrauen sitzt tief. In seinem Gottvertrauen lässt er sich freilich nicht erschüttern. Gott, sagt er, werde seine Kirche nicht untergehen lassen.

Glückwünsche von Kardinal Marx

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx,würdigte Bartholomaios I. in einem Glückwunschschreiben. "Die Deutsche Bischofskonferenz ist Ihnen für Ihr unermüdliches Wirken für die Ökumene weltweit dankbar", schreibt Marx in seiner Gratulation.

Wer ihn erlebe, spüre die geistliche Kraft, von der Bartholomaios I. lebe. Der Patriarch hatte Deutschland im vergangenen Jahr besucht.


Quelle:
KNA