Ein Besuch im Nordosten Brasiliens vor den Wahlen am Sonntag

Wo man Dilma die Treue schwört

Der arme Nordosten Brasiliens ist die Hochburg der regierenden Arbeiterpartei PT von Präsidentin Dilma Rousseff. Rund 70 Prozent der Menschen im Nordosten wollen bei der Stichwahl am Sonntag laut Umfragen für sie stimmen.

Autor/in:
Thomas Milz
Franziskus und Dilma Rousseff (dpa)
Franziskus und Dilma Rousseff / ( dpa )

Die Sonne brennt unerbittlich auf die Kleinstadt Porto da Folha im Landesinnern des Bundesstaates Sergipe. Im Büro der Landlosenbewegung MST haben sich Kleinbauern der Umgebung eingefunden. "Bevor die PT an die Regierung kam, hat sich niemand für uns interessiert", sagt MST-Aktivistin Maria Gorete Ferreiro Santos da Silva. Heute profitiere man von staatlichen Umverteilungsprogrammen, von Kleinkrediten für die Bauern, Landzuteilungen und einer Versicherung für Ernteausfälle - essenziell in der von Dürre heimgesuchten Region.

Und dann gebe es natürlich noch die "Bolsa Familia". Das unter Rousseffs Vorgänger und Mentor Luiz Inacio Lula da Silva eingeführte Programm zahlt alleine im Nordosten sieben Millionen Familien eine Art Kindergeld, oft deren einzige Einnahmequelle. Zwei Drittel der Familien in Porto da Folha beziehen laut Schätzungen der MST diese staatliche Leistung.

Misstrauen gegenüber Neves

Die Stadt ist nicht zuletzt wegen dieser Initiative wie große Teile von Nord- und Nordostbrasilien "Dilma-Land". Rund 73 Prozent stimmten im ersten Wahlgang am 5. Oktober für sie, Oppositionskandidat Aecio Neves landete in der Stadt bei 17 Prozent. "Dilma hat sich für uns eingesetzt, wir vertrauen ihr", sagt Landwirt Pedro Rodrigo de Oliveira. "Meine ganze Familie wird für sie stimmen."

Den gutbürgerlichen Neves verdächtigt man, die staatlichen Hilfen streichen zu wollen. "Neves will, dass wir für das Geld arbeiten, auch die Frauen", sagt Maria Gorete. "Aber wer kümmert sich dann um die Kinder, wer bringt sie zur Schule?" Landwirt Antonio Alves de Sousa meint gar, Neves werde eine neue Form der Sklaverei einführen, "er ist ja selber Großgrundbesitzer". Er und seine Mitbürger hätten "genug davon, für die Reichen zu arbeiten".

Sein Nachbar kassiere Sozialleistungen und stimme trotzdem für Neves, berichtet der Landwirt. Diese Undankbarkeit gegenüber der Regierung sei schlichtweg Verrat, ist sich die MST-Runde einig. Ein derartiger Korpsgeist, oft anzutreffen in den ländlichen Regionen, löst in bürgerlichen Kreisen des wohlhabenden Südens stets Empörung aus. "Bolsa Familia" sei nichts weiter als Stimmenkauf, argumentiert man dort.

Die Abneigung der Bewohner im Nordosten gegen den aus Südbrasilien stammenden bürgerlichen Oppositionskandidaten Neves wurde mit aggressiven Wahlspots der Arbeiterpartei weiter befeuert. Dabei verschwieg man, dass Neves gar kein Großgrundbesitzer ist und stets betont, die erfolgreichen Sozialprogramme weiterführen zu wollen. Doch das Misstrauen sitzt tief: Neves' sozialdemokratische PSDB regierte Brasilien von 1995 bis 2002, ohne viel für den Nordosten getan zu haben.

Sieben neue Universitäten

Anders Dilma Rousseffs Arbeiterpartei. Neben der sozialen Absicherung hat sie in der Region auch die Wirtschaft flott gemacht. Der Nordosten ist derzeit Brasiliens einzige Wachstumsregion. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs hat sich in 12 PT-Jahren verdoppelt. Sieben neue Universitäten entstanden, die Zahl der Studenten stieg von 400.000 auf 1,4 Millionen.

Endlich könnten die "Nordestinos" erhobenen Hauptes leben, triumphierte Ex-Präsident Lula da Silva am Dienstag bei einer Wahlveranstaltung. Da Silva, selbst Sprössling einer armen Familie aus der Region, ist auch vier Jahre nach der Amtsübergabe an Rousseff ein Zugpferd der Partei.

Am eigenen Leib habe er die Abneigung der reichen Eliten des Südens gespürt, sie seien Ausbeuter, so Lula auf einer Veranstaltung im Nordosten. Der Urnengang am Sonntag sei deswegen richtungsweisend. "Bei dieser Wahl werdet ihr entscheiden müssen, ob ihr für den Kandidaten der Banken oder die Kandidatin aller Brasilianer stimmt."

 

Quelle:
KNA