Schottische Kirche ruft zu Versöhnung nach Referendum auf

Besinnung für Ja- und Neinsager

Die Schottische Kirche bereitet sich bereits auf die Zeit nach dem Referendum vor. Für Sonntag sind Versöhnungsgottesdienste geplant. Dazu Pater Christian Dieckmann aus London.

Yes or No? (dpa)
Yes or No? / ( dpa )

domradio.de: Pater Dieckmann, was bekommen Sie in London von dem Referendum der Schotten mit?

Pater Christian Dieckmann (Pfarrer der Deutschsprachigen Katholischen Gemeinde St. Bonifatius London): Das kommt darauf an, wieviel man mitbekommen will. Wenn man in die Medien hineinschaut, dann kann man dem Thema natürlich nicht ausweichen. Ansonsten läuft in London das Leben aber auch heute ganz normal weiter.

domradio.de: Der schottische Regierungschef Salmond hat bis zuletzt für die Unabhängigkeit geworben, die Abspaltung ist seiner Meinung nach eine Riesenchance, was glauben Sie, welche Chancen hätte die Unabhängigkeit denn?

Pater Dieckmann: Die Argumente sind ja auf beiden Seiten reichlich ausgetauscht worden. Es gibt sicherlich für beide Seiten gute Argumente und die Chance besteht natürlich darin, dass das Land mehr Selbstbestimmung oder dann völlige Selbstbestimmung hat. Das ist es ja, was hinter der Kampagne steht, dass die Schotten das Gefühl haben, dass sie aus London bzw. aus Westminster nicht das bekommen, was sie eigentlich politisch wollen. Da ist der Gedanke vielleicht naheliegend, zu sagen, gut, dann stellen wir uns halt auf eigene Füße und haben, was wir politisch wollen.

domradio.de: Wäre das ein Verlust für Großbritannien?

Pater Dieckmann: Natürlich. Für das Land wäre es ein großer Verlust, auf der einen Seite wirtschaftlich, aber ich glaube auf der anderen Seite auch ganz emotional. Es würde einfach was fehlen.

domradio.de: Wie positioniert sich denn die Kirche in dieser Debatte?

Pater Dieckmann: Wenn man zum Beispiel auf die Website der katholischen schottischen Bischofskonferenz schaut, findet man nichts. Auf der Startseite ist nicht ein einziger Hinweis darauf zu sehen, dass heute dieses Referendum stattfindet. Die Kirche sagt dazu nichts. Es haben sich zwar inzwischen auch einige katholische Bischöfe geäußert, aber sie geben überhaupt keine Empfehlung ab. Das einzige ist, dass die Kirche sich wünscht, dass die Katholiken in guter katholischer Tradition ihre Verantwortung im Staat, in der Öffentlichkeit wahrnehmen, sich eine eigene gute Meinung bilden und dann zur Abstimmung gehen und dieses Recht auf Meinungsäußerung wahrnehmen. Ob nun ein Ja oder ein Nein von der Kirche favorisiert wird, dazu findet man nirgendwo ein Wort. Ich denke, das ist auch gut und richtig so, weil es ein politisches ein gesellschaftlich-staatliches Thema ist, was völlig unabhängig von Glaubensfragen zu behandeln ist. Wenn man einmal bei den anderen Kirchen schaut - die Nationalkirche in Schottland ist ja die Church of Scotland auch dort ist absolute Neutralität gewahrt, es wird allerdings das Referendum thematisiert. Ganz interessant ist aber, dass die Kirche sich wünscht, nach dem Referendum eine Zeit der Besinnung einzulegen, eine Diskussionsauszeit egal welche Seite gewonnen hat. Dass man sich eine Zeit der Harmonie und des Aufeinanderzugehens und des Nachvorneschauens wünscht. Dazu wird es am Sonntag in vielen Kirchen der Church of Scotland extra in dieser Richtung begangene Gottesdienste geben, wo es eben um die Versöhnung geht. Die Diskussion ist ja doch sehr emotional verlaufen. Die Wellen sind hochgeschlagen. Es wird darum gehen, diese Wogen wieder zu glätten und die Ja- und die Neinabstimmer wieder zueinander zu bringen und auch die Schotten und die anderen Menschen in diesem jetzt und vielleicht auch noch morgen einem Land wieder zusammen zu bringen und gemeinsam zu schauen, wie geht es jetzt weiter, völlig egal wie das Ergebnis sein wird.

Das Interview führte Verena Tröster


Mit letzter Kraft: Nein (dpa)
Mit letzter Kraft: Nein / ( dpa )

Ja zur Unabhängigkeit (dpa)
Ja zur Unabhängigkeit / ( dpa )
Quelle:
DR