Ägypten: Angriffe auf Kirchen und Misereor-Partner

Zerstört, angezündet oder verwüstet

Erst langsam wird das Ausmaß der gewaltsamen Ausschreitungen in Ägypten bekannt: Auch Partner des katholischen Misereor-Hilfswerks wurden attackiert, Dutzende christliche Kirchen offenbar Ziel von Angriffen.

Feuer in der Prinz Tadros Kirche in Minya (dpa)
Feuer in der Prinz Tadros Kirche in Minya / ( dpa )

Am Mittwoch und Donnerstag habe eine Gruppe bewaffneter Männer den Campus der Hilfsorganisation Jesuit and Brothers Development Association (JBA) in der oberägyptischen Stadt Al-Minya attackiert und weitestgehend zerstört, wie das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor am Freitag in Aachen mitteilte. Die Männer hätten die Angestellten der Organisation bedroht, Büros und andere Räume geplündert, Computer, Möbel und Geld gestohlen und das Gebäude und Fahrzeuge in Brand gesetzt. Auch die Bibliothek und der Kindergarten seien völlig zerstört.

Laut Misereor-Angaben engagiert sich JBA seit vielen Jahren in mehreren Städten Ägyptens für die Verbesserung des Bildungssystems besonders in armen städtischen Randgebieten. Dazu gehörten unter anderen Aus- und Weiterbildungsprogramme für Lehrer und Schüler, Kindergärten und Alphabetisierungskurse.

Die Leiterin der Abteilung Afrika und Naher Osten bei Misereor, Maria Klatte, nannte JBA ein Symbol der nationalen Einheit in Ägypten. Hier hätten Menschen unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam dafür gearbeitet, das Bildungssystem zu verbessern und sozial schwächer gestellte Menschen in der Region zu unterstützen. "Wir sind tief betroffen", sagte Klatte. "Es ist wichtig, dass die Spirale der Gewalt gestoppt wird und Raum für Dialog und Verhandlungen geschaffen wird, damit der aktuelle politische Konflikt nicht jahrelange Errungenschaften in der Entwicklung des Landes zerstört." Misereor werde die Organisation beim Wiederaufbau des Campus unterstützen.

Mindestens 32 Kirchen in Ägypten angegriffen

In Ägypten sind nach Angaben einer christlichen Organisation landesweit Dutzende kirchlicher Einrichtungen Ziel von Anschlägen geworden. In acht Provinzen hätten Islamisten in den vergangenen beiden Tagen mindestens 32 Kirchen "völlig zerstört, angezündet oder verwüstet", sagte ein Vertreter der koptischen Menschenrechtsgruppe "Maspero Youth Union", Mina Thabet, dem arabischen Sender Al Dschasira am Freitag. Die Organisation verzeichnete demnach auch Dutzende Angriffe auf christliche Geschäfte und Schulen.

Der Sender zitierte einen koptischen Bischof mit den Worten, noch nie zuvor seien in Ägypten so viele Kirchen an einem einzigen Tag attackiert worden wie nach der gewaltsamen Räumung von Protestcamps von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo am Mittwoch. "Normalerweise hatten wir etwa einen Anschlag pro Monat", so Bischof Thomas aus Assiut. Der Schutz müsse verbessert werden. Die verzögerte Reaktion am Mittwoch sei aber verständlich, weil die Sicherheitskräfte "überfordert" gewesen seien.

Auslandspfarrer: Mit Muslimbrüdern kann man nicht reden

Die Muslimbrüder sind nach den Worten des Kairoer Auslandspfarrers Joachim Schroedel keine möglichen Verhandlungspartner für eine Regierungsbildung. "Jeder Politiker im Westen, der sagt, man müsse ins Gespräch kommen und die Muslimbrüder einbinden, der hat - mit Verlaub gesagt - keine Ahnung, wer die Muslimbrüder eigentlich sind", sagte der in Ägypten lebende Deutsche im Interview mit Radio Vatikan. Die Islamisten in den aufgelösten Camps seien "nicht zu Gesprächen bereit" gewesen, "und die Führer der Muslimbrüder auch nicht".

Analphabetismus ist aus Sicht des Seelsorgers, der die deutschen Katholiken im Land betreut, ein wichtiger Grund für die schwierige Lage. Über die Hälfte der 90 Millionen Ägypter habe keinen Schulabschluss. Diese Masse sei "einfach zu manipulieren". Aktuell ist die Situation in Kairo nach seinen Worten eher ruhig. Demnach wurden bisher auch keine Kirchen in der Hauptstadt angegriffen.

Schroedel nahm die Mehrheit der Muslime in Schutz. Viele von ihnen hätten ihm gegenüber die Gewalt gegen die Christen verurteilt und ihre Wut auf die Muslimbrüder zum Ausdruck gebracht. Er selbst, der oft in Soutane durch die Stadt gehe, werde von Muslimen geachtet. "Man weiß auch hier, was ein Priester ist, und jeder Muslim hat davor Respekt, weil ein Priester als Mann Gottes betrachtet wird."


Quelle:
epd , KNA