Seelsorger: Ägyptens Revolution wendet sich zum Guten

"Angst war, jetzt ist Hoffnung"

Die Situation in Ägypten bleibt schwierig. Dennoch blickt Msgr. Joachim Schrödel zuversichtlich in die Zukunft. Im domradio.de-Interview spricht der Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Kairo über die neue Hoffnung im Land.

Ägyptische Flaggen über dem Tahir (dpa)
Ägyptische Flaggen über dem Tahir / ( dpa )

domradio.de: Sie sind gerade in Deutschland. Hat Ihr Besuch etwas mit der Situation in Ägypten zu tun?

Schrödel: Nein, der war lange geplant. Ich nutze die Schulferien, um mich ein bisschen zu erholen bei kühleren Temperaturen. Viele Pressemeldungen der vergangen Wochen waren auch überzogen: Dass Scharen von Ausländern Ägypten verlassen, stimmt überhaupt nicht. Mein Flieger nach Deutschland war auch nur halb gefüllt.

domradio.de: Wie groß ist denn die Angst in der Bevölkerung - überwiegt eher eine "Angststimmung" oder der Wille zu ändern, was geändert werden muss?

Schrödel: Die Tage vor dem 30. Juni (dem einjährigen Amtsjubiläum von Präsident Mursi und den Protesten gegen ihn, die Red.) waren angstvoll. Man wusste nicht, was kommt. Viele haben damit gerechnet, das Fass würde jetzt explodieren und es würde viel Blut fließen. Jetzt sind wir dem lieben Gott dankbar dafür, dass so wenig passiert ist. Und jetzt herrscht Hoffnung vor: auf Frieden und Fortschritt und dass Mursi die Wünsche des Volks erfüllt. Ein Anrufer berichtete mir gerade, dass über dem Tahir-Platz fünf große Hubschrauber mit ägyptischen Fahnen kreisten. Das Militär, die Polizei und der Innenminister solidarisieren sich. Angst ist gewesen, jetzt ist die Hoffnung da.

domradio.de: Wie geht es denn den Christen  in dieser Lage?

Schrödel: In den Tagen vor dem 30. Juni hat man gespürt, dass Christen und Muslime wieder enger zusammenrücken. Für europäische Ohren klingt das vielleicht seltsam: Wir dachten doch immer, Ägypten würde jetzt islamisiert. Aber der Druck der Islamisierung kam eben von Seiten der Muslimbrüder - und es sind vielleicht 500.000, 600.000 Menschen, die da mitmachen. Der normale Moslem in Ägypten ist ein frommer Mensch, aber genauso ist er auch tolerant. Ich habe in den vergangenen Tagen immer wieder gehört: Muslime und Christen sind hier untrennbar miteinander verbunden. Was man vor zwei Jahren auf dem Tahir gehört hat, hört man jetzt wieder - und das macht viel Hoffnung.

domradio.de: Sie glauben also nicht, dass das der Beginn einer zweiten Revolution ist?

Schrödel: Das ist ein Teil der Revolution. Ich war schon immer dagegen zu sagen: Innerhalb von 18 Tagen hat 2011 eine Revolution stattgefunden. Das war eigentlich keine Revolution, das war der Rücktritt eines Präsidenten. In der Folge gab es Neuwahlen und eine neue Verfassung. Und all das ist unter der Regie der Muslimbrüder entstanden. Von denen hat man geglaubt, dass sie es bringen. Aber in dem einen Jahr unter ihrer Führung haben wir gesehen, dass Mursi und seine Minister nicht das Zeug haben, Ägypten wirklich aufzubauen. Die Situation war zeitweise schlimm. Jetzt scheint es sich durch die Hoffnung zum Guten zu wenden. Aber wir müssen abwarten.

Das Gespräch führte Monika Weiß.


Quelle:
DR