Kolping International: Afrikaner fühlen sich als Christen zweiter Klasse

"Wunsch nach Anerkennung"

Armut, Hunger und Bürgerkriege – viele Menschen in Afrika erhoffen sich von der Kirche vor allem Hilfe im täglichen Kampf ums Überleben. Was sie von einem neuen Papst erwarten? Volker Greulich von Kolping International im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Was ist denn die Stärke der katholischen Kirche in Afrika?

Greulich: Der Glaube in einem Umfeld, in dem Säkularisierung noch nicht stattgefunden hat. Die Selbstverständlichkeit, mit der man sich zum Glauben bekennt. Und die Selbstverständlichkeit, mit der man im Alltag diesen Glauben auch lebt.

domradio.de: Welchen Einfluss hat denn die Kirche für die Menschen, abgesehen davon, dass sie sich auf dem Bildungs- oder Gesundheitssektor engagiert?

Greulich: Das ist auch ein relativ wichtiger Teil. Also das eine ist, natürlich gerade für Menschen in Afrika, normal ihren Glauben im Alltag zu leben. Und dass es für Katholiken auch völlig normal ist, am Leben ihrer Kirche teilzunehmen. Der sonntägliche Gottesdienstbesuch ist in den meisten Teilen Afrikas kein Problem. Die Leute nehmen selbstverständlich am Leben ihrer Kirche, ihrer Gemeinde teil. Aber daneben darf man eben auch nicht vergessen, dass Kirche in vielen Staaten häufig viel näher ist, auch wenn es darum geht, Hilfe zu leisten. Wo man sich eben auf den Staat nicht so verlassen kann, wo eben Gesundheitsvorsorge, Bildungsangebote oder eben auch materielle Hilfe häufig von der Kirche kommen - und nicht vom Staat.

domradio.de: Pfingstkirchen haben auch in Afrika regen Zulauf. Wie stark setzt das die katholische Kirche unter Druck?

Greulich: Das ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt natürlich Regionen, in denen evangelikale Gruppen eine große Rolle spielen. Ich selber habe sechs Jahre in Tansania in einer Gegend gewohnt, wo uns in die Siebenten-Tags-Adventisten sehr zugesetzt haben. Aber leider hat sich in den letzten Jahren ein viel drängenderes Problem ergeben, und das ist, glaube ich, die Auseinandersetzung mit einem zunehmend radikalisierten Islam: Ob man jetzt von Boko Haram in Nigeria hört und von Anschlägen auf katholische und evangelische Geistliche in Tansania – das ist doch sehr besorgniserregend und hat einfach eine völlig andere Größenordnung als jetzt die Auseinandersetzung mit aggressiven evangelikalen Konfessionen.

domradio.de: Bei uns in Deutschland wird viel über das Frauenpriestertum diskutiert oder den Zölibat. Welche Themen spielen für die afrikanischen Gläubigen eine Rolle in ihrer Auseinandersetzung mit der Kirche?

Greulich: Was die meisten Afrikaner drängt, sind ganz massive Probleme im Leben: Armut, viele  leben in Bürgerkriegsgebieten. Das Leben ist einfach unsicher. Überleben ist häufig unsicher, und ich denke, dass von der Kirche da eher erwartet wird, dass die Kirche eine Rolle spielt bei der Verbesserung der Lebensverhältnisse. Eine andere Sache, die man nicht unterschätzen darf, ist der Wunsch nach Anerkennung. Viele Afrikaner haben immer noch das Gefühl, dass sie Menschen und vielleicht auch Christen zweiter Klasse sind. Ich glaube für viele Afrikaner hat alleine die Tatsache, dass im Vorfeld auch über schwarze Kardinäle als Nachfolger nachgedacht wird, so manche Seite ihrer Herzen zum Schwingen gebracht. Egal ob der Papst am Ende Afrikaner wird oder nicht.

domradio.de: Spielt HIV, spielt Aids nicht auch eine Rolle. Der Papst und die Kirche verbieten zum Beispiel den Einsatz von Verhütungsmitteln, die die AIDS- und HIV-Verbreitung eindämmen könnten. Gibt es da Wünsche an den Papst?

Greulich: Das ist unterschiedlich. Wir haben natürlich in Südafrika oder schon in Großstädten auch Leute, die etwas differenzierter herangehen. Aber im Großen und Ganzen sind die meisten Afrikaner sozial relativ konservativ. Über Verhütungsmittel wird sowieso nicht so furchtbar gerne gesprochen. Viele afrikanische Männer haben ein relativ gespanntes Verhältnis zu Kondomen und lassen sich in diesem Fall recht gerne auch vom Papst in ihrer Meinung bestärken. Ich glaube nicht, dass es letztlich die katholische Kirche ist, die da einen so großen Einfluss im Verhalten hat. Sondern, dass es da doch mehr traditionelle Verhaltensformen, auch traditionelle Formen und Vorstellungen von Sexualität sind, die zur Ausbreitung von AIDS geführt haben.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR