Neymeyr: Weltjugendtag ist Appell gegen Nationalismus

Glaubensfest mit Nachwirkungen

Im Weltjugendtag in Krakau sieht der Bischof Neymeyr einen nachhaltigen Appell zu weltweiter Solidarität. Er äußerte sich als Stellvertreter von Jugendbischof Wiesemann, der krankheitsbedingt eher abgereist ist.

 (DR)

KNA: Herr Bischof, wie ist Ihre Bilanz des Weltjugendtages?

Ulrich Neymeyr (Bischof von Erfurt und Stellvertreter des "Jugendbischofs" Karl-Heinz Wiesemann): Er war ein großartiges Ereignis. Viele deutsche Jugendliche waren in Gastfamilien untergebracht, also nicht in Turnhallen oder Schulen, und konnten die polnische Gastfreundschaft besonders intensiv erfahren.

KNA: Wie haben Sie Papst Franziskus erlebt?

Neymeyr: Bei seinen Begegnungen mit den Jugendlichen hat er sie direkt angesprochen, so dass sie gemerkt haben: Der Papst spricht zu uns. Man hat gespürt, er will die Jugendlichen erreichen und ihnen ins Herz oder auch ins Gewissen reden, dass sie Verantwortung übernehmen in der Gesellschaft.

KNA: Ein besonderer Programmpunkt war der Besuch von Franziskus in Auschwitz. Waren Sie dabei?

Neymeyr: Ich habe nicht selbst teilgenommen, sondern habe es über die Medien mitverfolgt. Allerdings war ich auf dem Weg nach Krakau selbst in Auschwitz, in dieser Stätte des Grauens. Auch viele andere Weltjugendtagsteilnehmer sind dorthin gefahren. Ihnen war bewusst, dass dieser Ort des Holocaust ganz in der Nähe von Krakau liegt. Das Verstummen des Papstes an diesem Ort hat auch uns ergriffen. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich der Heilige Vater ganz persönlich auf diesen Ort eingelassen hat.

KNA: Welche weiteren Stationen des Weltjugendtags haben Sie besonders beeindruckt?

Neymeyr: Vor allem die Willkommensfeier mit Franziskus. Wie bei Olympischen Spielen wurden Fahnen vorbei getragen aus allen Ländern der Teilnehmer. Das hat ihnen deutlich gemacht: Wir kommen aus verschiedenen Nationen, aber wir gehören zur selben Kirche.

KNA: Diese Feier war teilweise ein buntes Unterhaltungsprogramm ganz ohne religiöse Elemente. Hat Sie das gestört?

Neymeyr: Überhaupt nicht. Ich habe überall in Krakau erlebt, wie die Jugendlichen einfach ein Fest feiern, zugleich aber auch die religiösen Teile des Weltjugendtages wahrnehmen. An den Vormittagen haben sie sich bei den Katechesen mit ihrem Glauben beschäftigt und Gottesdienste gefeiert.

KNA: Sie haben schon an mehreren Weltjugendtagen teilgenommen. Was war das Besondere an Krakau?

Neymeyr: Krakau ist eine sehr schöne und große Stadt, aber keine Großstadt. Zwar waren die Verkehrsmittel manchmal völlig überlastet, aber es war auch schön, dass der Weltjugendtag ganz Krakau prägen konnte.

KNA: Wie kann dieses Glaubensfest weiterwirken?

Neymeyr: Die deutschen Teilnehmer sind zumeist aus katholischen Jugendgruppen und Verbänden gekommen. Ihre Erinnerungen und Erfahrungen leben weiter, wenn sie wieder zu Hause sind. Für viele wird sich das für ihr Leben lang einprägen.

KNA: Was konnten die deutschen Jugendlichen zum Weltjugendtag beitragen?

Neymeyr: Je nach Land gibt es unterschiedliche Ausdrucksformen der Religiosität. Der große Schatz unserer Jugendlichen ist das vielfältige Angebot an religiösen Liedern. Das hat unser Pilgerheft des Weltjugendtages gezeigt.

KNA: Was ist die politische Aussage dieses Weltjugendtages?

Neymeyr: Für die gegenwärtige Situation in Europa, aber auch in anderen Regionen weltweit ist es die Botschaft: Katholizismus und Nationalismus gehen nicht zusammen.

KNA: Was kann ein Weltjugendtag erreichen, das alle anderen kirchlichen Angebote nicht können?

Neymeyr: Er bringt eine große Ermutigung im Glauben, eine Erfahrung von Weltkirche, die sich einprägt.