Weltjugendtagspilger besuchen auch ehemals jüdisches Viertel

Zwischen Hipster-Imbiss und Synagoge

Es war ein wichtiges Zentrum jüdischen Lebens: das Stadtviertel Kazimierz in Krakau. Heute sind die Straßen und Plätze ein Magnet für Touristen. Sie sind auf den Spuren jüdischer Geschichte oder besuchen angesagte Clubs.

Autor/in:
Leticia Witte
Ein Porträt des winkenden Papst hängt in einem Fenster im ehemaligen jüdischen Stadtviertel Kazimierz in Krakau in Polen. / © Markus Nowak (KNA)
Ein Porträt des winkenden Papst hängt in einem Fenster im ehemaligen jüdischen Stadtviertel Kazimierz in Krakau in Polen. / © Markus Nowak ( KNA )

Nein, Papst Franziskus wird er wohl nicht sehen können. Zu viel Arbeit, meint der Mann, der im Krakauer Stadtviertel Kazimierz Besucher einer Synagoge und eines jüdischen Friedhofes betreut. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Zu tun hat er tatsächlich genug: Immer wieder wird das Gespräch unterbrochen, weil der ältere Herr Fragen von Touristen beantwortet und ihnen die Tür zum alten Friedhof öffnet. Zu den Besuchern gehören in dieser Zeit auch Pilger, die zum 31. katholischen Weltjugendtag nach Krakau gereist sind. Das Glaubensfest endet am Sonntag mit einer Papstmesse.

Der Ort, von dem die Rede ist, ist die Remuh-Synagoge aus dem 16. Jahrhundert in Kazimierz. Noch heute werden Gottesdienste in dem kleinen Gebäude gehalten. Es liegt an der Szeroka, Mittelpunkt des ehemals jüdischen Kazimierz. Seit dem 15. Jahrhundert lebten in dem Viertel zahlreiche Juden - dem setzten die Nationalsozialisten mit der Besetzung Polens ein Ende. Sie errichteten in Podgorze auf der anderen Krakauer Weichselseite ein Ghetto. Von dort wurden die Juden in die Konzentrationslager deportiert. 

Party, Kultur und jüdische Spurensuche

Heute ist Kazimierz einerseits eine angesagte Ecke zum Ausgehen, andererseits finden sich immer wieder Besucher auf den Spuren jüdischen Lebens ein. Darüber hinaus wird jedes Jahr ein jüdisches Kulturfestival in Krakau veranstaltet. Während des katholischen Weltjugendtages bevölkern zahlreiche Pilger die Straßen des Viertels.

Viele wissen aber nicht, was es mit dem Viertel auf sich hat. Sie hätten einfach mehr von Krakau sehen wollen, sagen einige junge Franzosen, die sich auf Stühlen vor einem schicken Imbiss niedergelassen haben. Genaueres wissen sie nicht und wenden sich wieder ihrem Essen zu.

Ein geschichtsträchtiges Viertel

Davide, Andrea und Francesco sind ebenfalls aus Frankreich angereist und kommen gerade aus der Remuh-Synagoge. Die christlichen Pilger im Teenageralter sind nach eigenem Bekunden auf der Suche nach den Unterschieden zwischen den Religionen. Auch die Gedenkstätte in Auschwitz-Birkenau stand auf ihrem Programm.

Der kundige Touristenbetreuer an der Synagoge freut sich, dass junge Christen aus aller Welt in diesen Tagen nach Kazimierz kommen und soviel Interesse mitbringen. Benannt ist die Synagoge nach dem Rabbiner Remuh Moses Isserles, der auf dem angrenzenden alten Friedhof beigesetzt ist. Dort rissen die Nationalsozialisten Steintafeln heraus - nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Tafeln zu einer kleinen Klagemauer zusammengesetzt.

Weltjugendtag ist Touristenmagnet

In seiner Umgebung zähle das Gebet, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Zugleich sei Kazimierz aber nicht frei von Kommerz, beispielsweise in den Restaurants und Cafes. Diese Orte tragen oft jüdische Namen. Adam Balas bringt Touristen nach Kazimierz. Er fährt einen kleinen, niedrigen Wagen mit einer Plane, auf dem Krakau-Besucher für eine Stadtführung mit dem 27 Jahre alten Balas Platz nehmen können.

Er sei sich nicht sicher, ob seine Kunden das Viertel sehen wollten oder tiefer an dessen Geschichte interessiert seien. Jedenfalls ist Krakau nach seinen Worten anders als sonst in den Ferienmonaten wegen des Weltjugendtages gut gefüllt. "Die Leute haben eine fröhliche Art, sie lachen oft", meint Balas, der von sich sagt, er sei praktizierender Katholik.

Ort der Stille

Zur Abschlussmesse mit Papst Franziskus will er genauso wie der Besucherbetreuer in der Synagoge aber nicht gehen. Er fühle sich in Menschenmassen einfach nicht wohl.

Apropos Massen: Wer heillos überfüllten Straßen und Trams beim Weltjugendtag entfliehen möchte, ist in Kazimierz an der richtigen Adresse. Über den Straßen und Plätzen liegt tagsüber eine freundliche und angenehme Stille. 


Ein Mini-Bus mit Touristen fährt durch das ehemalige jüdische Stadtviertel Kazimierz  / © Markus Nowak (KNA)
Ein Mini-Bus mit Touristen fährt durch das ehemalige jüdische Stadtviertel Kazimierz / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
KNA