Renovabis-Geschäftsführer zum Weltjugendtag in Krakau

"Eine Hommage an den Erfinder"

Der nächste große Weltjugendtag wird 2016 in Krakau stattfinden - an der Schwelle von West- nach Osteuropa. Eine große Chance, meint Pater Stefan Dartmann, Hauptgeschäftsführer von Renovabis, im domradio.de-Interview.

Krakau (dpa)
Krakau / ( dpa )

domradio.de: Hat Sie die Bekanntgabe überrascht, dass der WJT 2016 in Polen stattfinden wird?
Pater Dartmann: Also ich komme gerade aus Polen und ich muss sagen, dass ich dort keine einzige Stimme davon gehört habe, die damit gerechnet hat. Und ich habe auch nicht damit gerechnet. Allerdings haben wir festgestellt, dass die Homepage des Erzbistums Krakau schon sehr gut vorbereitet zu sein schien.

domradio.de: Sie haben in einer Pressemitteilung geäußert, dass Polen eine gute Wahl sei hinsichtlich der Bemühungen um eine Neuevangelisierung Europas. Welches Potenzial steckt in diesem Land?
Pater Dartmann: Ein großes Potenzial, aber auch ein großer Bedarf. Also Neuevangelisierung ist ja etwas, was man nicht traditionell mit Polen verbindet. Aber Kardinal Nycz von Warschau hat z.B. noch vor einiger Zeit deutlich gemacht, dass er in Polen ein echtes Missionsland sieht und etwas beklagt, dass man das vielleicht zu spät im eigenen Land erkannt hat. Also es gibt ein großes Potenzial, es ist nach wie vor ein Land mit 95% Katholiken, und wenn Sie dort an einem normalen Sonntag oder Alltag, wie ich es jetzt in den letzten Wochen getan habe, in die Messen gehen, dann merken Sie, da gibt es noch bis in die Jugend hinein eine durchaus starke Beteiligung. Mag sein, dass das mit Maßstäben von früher gemessen nicht mehr so stark ist. Nur hören wir natürlich auch, dass es so etwas wie eine schleichende innere Säkularisierung gibt. Und darauf muss die Kirche eine neue Antwort finden. Die Verwestlichung bedeutet dort ‑ häufig spricht man von der Amerikanisierung der Jugend, man überspringt da quasi Westeuropa ‑ und die Tendenzen sind dahingehend, dass man sagt: Lass‘ die Kirche reden, aber in unserem privaten Leben sind uns deren Meinungen nicht sehr wichtig. Also im praktischen Verhalten verhält sich dann beispielsweise die polnische Jugend doch eher so wie die westeuropäische.

domradio.de: Der WJT hängt unzertrennlich mit der Person von Papst Johannes Paul II. zusammen, er war ja quasi der Erfinder des WJT. Nun soll er ja im kommenden Jahr heiliggesprochen werden. Was bedeutet dies für den WJT?
Pater Dartmann: Also es ist natürlich für Polen erst einmal eine ganz wichtige Geschichte, die damit einen offiziellen Abschluss findet. Es ist aber auch für den WJT noch einmal eine Hommage an den Erfinder, wie Sie ja selbst sagen. Und es wird die Sache schon mit prägen – ohne Zweifel. Auf der anderen Seite muss man sagen, die Generation JPII, von der man spricht, ist abgetreten. Das ist auch ein Problem der Kirche in Polen: Wir merken natürlich, dass solche Generationen dann mit den Päpsten kommen und gehen. Und wenn die Päpste dann nicht mehr da sind ‑ bei Benedikt wird etwas Ähnliches eintreten ‑, dann sind diese Jugendlichen in gewisser Weise erst einmal etwas orientierungslos.

domradio.de: Mittel- und Osteuropa leiden unter vielen sozialen Problemen, weshalb Renovabis hier mit vielen Hilfsprojekten tätig ist. Wird auch der WJT diese Projektarbeit beeinflussen?
Pater Dartmann: Ich hoffe zunächst einmal, dass der WJT deutlich als ein europäischer WJT wahrgenommen werden wird. Heute ist Krakau nicht im Osten, sondern es ist wirklich die Stadt im Herzen Europas, und das ist nicht nur ein Slogan, sondern das ist so. Und das werden wir merken, wenn die Menschen von Ost und West alle dorthin strömen – auch von Nord und Süd übrigens. Und damit werden hoffentlich die Probleme, die wir an den Rändern Europas haben – und das gilt sowohl für den Osten als auch den Süden ‑, mit ins Zentrum gerückt. Der jetzige Papst hat ja immer davon gesprochen, an die Peripherie zu gehen und die Menschen und die Probleme, die dort existieren, ins Zentrum zu stellen. Und wenn er das tut, dann werden eben nicht nur die polnischen Fragen beleuchtet werden oder die Situation der polnischen Kirche, sondern dann wird auch über die Situation in Albanien geredet werden, über die sozialen Probleme in Bulgarien, in Rumänien. Situationen, die auch viele hier im Westen überhaupt nicht kennen und gar nicht einschätzen können, wie groß die Probleme dort sind. Der sozial denkende Papst Franziskus wird dort sicher auch einen Fokus setzen.

domradio.de: Ihr Kollege, der Geschäftsführer von Adveniat, Prälat Klaschka, sprach nach Rio von einem gewaltigen Schub für sein Lateinamerika-Hilfswerk. Vor allem hat er seine Arbeit bestätigt gesehen von den Ansprachen des Papstes. Erwarten Sie Ähnliches für Renovabis, wenn der WJT nach Krakau kommt?
Pater Dartmann: Es geht uns ja nicht primär um unser Werk, wir sprechen nicht von einem Werk, sondern von Solidaritätsaktionen der deutschen Katholiken. Und wenn mehr Menschen solidarisch handeln – egal ob über uns, neben uns oder durch uns, das ist uns egal ‑, dann wäre das natürlich wichtig, denn die Brücken zu bauen zwischen Ost und West, das ist nach wie vor eine Aufgabe, vor der wir stehen und die noch bei Weitem nicht erfüllt ist. Und wenn das zu diesem Brückenbau beiträgt, dann sind wir dabei.

Das Interview führte Tobias Fricke.


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