Erzbischof Müller begleitet Papst Franziskus beim WJT

"Im Herzen angesprochen"

Papst Franziskus trifft den richtigen Ton: Er kann die Glaubensinhalte klar und einfach vermitteln, sagt Erzbischof Müller im domradio.de-Interview. Der Präfekt der Glaubenskongregation hat den Heiligen Vater in den letzten Tagen begleitet.

Erzbischof Müller in Rio de Janeiro (DR)
Erzbischof Müller in Rio de Janeiro / ( DR )

domradio.de: Erzbischof Müller, Sie begleiten Papst Franziskus auf seiner ersten Auslandsreise. Welche Botschaft geht von dieser Reise aus?

Erzbischof Müller: Die Botschaft ist wie immer sehr einfach, aber sehr tiefgründig: Wer hören will, der höre. Und er versteht es sehr gut, die jungen Menschen anzusprechen. Sie fühlen sich auch im Herzen angesprochen und ernst- und wahrgenommen. Und er macht eben keinen gekünstelten und lang ansetzenden Anweg zu dem was er sagen will, sondern aus seiner langen seelsorgerischen Erfahrung trifft er die Sache auf den Punkt. Kann die Glaubensinhalte sehr einfach und klar vermitteln, aber auch in die Lebenssituation der jungen Menschen und der Menschen überhaupt, der Gesellschaft hineinsprechen.

domradio.de: Ein lateinamerikanischer Papst reist zum WJT nach Brasilien in Lateinamerika - ist das ein Glücksfall für die Weltkirche?

Erzbischof Müller: Papst Benedikt und Johannes Paul II waren natürlich auch schon bei WJT auf verschiedenen Kontinenten und Papst Benedikt hätte natürlich jetzt auch in Portugiesisch oder Spanisch reden können und die Predigten vortragen können. Aber wenn das dann in der Muttersprache geschieht, ist das noch einmal etwas ganz anderes, da kommen noch andere Aspekte des menschlichen Daseins zum Klingen. Und die Lateinamerikaner sind ja auch zu Recht stolz, dass einer von ihnen nach 500 Jahren der Missionierung oder Christianisierung dieses Kontinents der universale Hirte der ganzen Menschheit, der ganzen Kirche geworden ist.

domradio.de: Wir haben in den vergangenen Tagen Bilder großer Begeisterung hier erleben dürfen. Auch Sie selbst haben einen engen Bezug zu Lateinamerika. Würden Sie sagen, wir Christen in Europa können uns hier einiges abgucken von den Lateinamerikanern?

Erzbischof Müller: Das war eigentlich schon immer der Fall. Wir sind in Europa etwas in der Gefahr eines verbürgerlichten Christentums, das war halt schon immer so. Es wird einfach gesellschaftlich vermittelt, es gehört zwar auch die persönlich Entscheidung im Wesentlichen dazu, aber auch die gemeinschaftliche Dimension. Man kann ja nicht so im europäisch-individualistischen Sinn jeder für sich, so: Ich und mein Herrgott, nach dieser berüchtigten, altbekannten Formel das Christentum verstehen und auch leben - das ist ja unmöglich.

Das können wir auch von den Lateinamerikanern lernen, dass dieser Gemeinschaftsbezug ganz wesentlich und ganz natürlich hinzugehört und das kann auch unserem Individualismus etwas aufhelfen und die Verengungen auf sich auch überwinden.  

domradio.de: Viele deutsche Jugendliche konnten diese weite Reise nicht auf sich nehmen. Haben Sie einen Gruß für diese jungen Menschen?

Erzbischof Müller: Wir haben ja die Diözesanweltjugendtage gerade deswegen auch, weil je weiter entfernt das ist, die Leute natürlich aus Kostengründen und sonstigen Ursachen nicht persönlich teilnehmen können. Aber die heutigen Medien ermöglichen es uns ja teilzunehmen - nicht nur als stumme Zuschauer, sondern als Mitbeter, dass man auch ganz dabei sein kann, sich von der Botschaft des Papstes anstecken lässt und auch weiß, dass man wirklich zur Weltkirche gehört. Und dass wir auch ein Schrittmacher sind als Kirche für die Einheit der Menschheit und dass wir nicht in Privategoismus und Völkeregoismus versinken, dass nicht jedes Volk schaut, wie es auf dem kapitalistischen Wege am besten durchkommt, sondern dass auch die Solidarität unter den Völkern gibt.

Und dass die Soziallehre, die die Kirche entwickelt hat, eben nicht nur in den einzelnen Nationen wie bei uns in Deutschland verwirklicht wird, sondern auch auf dem Niveau der Völker. Und da kann man sehr viel lernen und auch sehr viel dazu tun, und auch wenn die Jugendlichen jetzt nicht unmittelbar physisch dabei sein können, sind sie aber trotzdem mit ihrem Herzen, mit ihrem Verstand, mit ihrem Gebet dabei.

domradio.de: Herzlichen Dank!