Papst ruft bei Favela-Besuch zum Teilen auf

Zu den Armen

Mit einem eindringlichen Appell hat Papst Franziskus bei seinem Besuch in einer Armensiedlung in Rio zu mehr Solidarität und sozialer Gerechtigkeit aufgerufen. "Nur wenn man fähig ist zu teilen, wird man wirklich bereichert", forderte er.

Papst spricht zu Favela-Bewohnern (dpa)
Papst spricht zu Favela-Bewohnern / ( dpa )

"Niemand kann gegenüber den Ungleichheiten, die weiterhin in der Welt bestehen, gefühllos bleiben“, sagte er beim Besuch der Armensiedlung Varginha im Norden von Rio de Janeiro. "Werdet nicht müde, für eine gerechtere und solidarischere Welt zu arbeiten!“, forderte er. Nicht eine Kultur des Egoismus oder des Individualismus könnten eine bewohnbarere Welt aufbauen, sondern eine Kultur der Solidarität.

Dazu gehöre, im anderen "nicht einen Konkurrenten oder eine Nummer zu sehen, sondern einen Bruder“, betonte der Papst bei seiner Ansprache auf einem Sportplatz der Favela.

Favela-Bewohner hatten sich lange auf Besuch vorbereitet

Mit Nachdruck wandte sich der Papst vor mehreren Tausend Bewohnern gegen eine Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft, insbesondere der Armen. Er forderte die brasilianische Gesellschaft auf, bei ihrem Kampf gegen Hunger und Elend alle Teile der Bevölkerung, auch die Menschen an der Peripherie zu erfassen und sie nicht sich selbst zu überlassen. "Nur wenn man fähig ist zu teilen, wird man wirklich bereichert“, sagte der Papst. Der Maßstab für die Größe einer Gesellschaft "liegt in der Art, wie sie die behandelt, die am meisten Not leiden, diejenigen, die nichts besitzen als ihre Armut!“

Schon seit Wochen hatten sich die Bewohner auf den Besuch des Oberhauptes der katholischen Kirche vorbereitet. Obwohl ein großer Teil der Einwohner des Armenviertels evangelikal ist, hatten sie ihre Häuser mit Bildern des Papstes geschmückt. Varginha mit seinen rund 1.200 Einwohnern gehört zu den ärmsten der rund 300 Favelas in Rio de Janeiro. Erst vor sieben Monaten wurde das Armenviertel befriedet und eine Station der sogenannten Friedenspolizei UPP eingerichtet. Dennoch kommt es in dem Viertel trotzdem immer wieder zu Schießereien zwischen rivalisierenden Drogenbanden.

An die Adresse der jungen Generation sagte Franziskus, sie solle nicht enttäuscht sein und nicht verzagen angesichts von Korruption und Ungerechtigkeiten, denn die Wirklichkeit könne sich ändern, und sie könnten dazu beitragen. Im vorigen Monat waren in Brasilien Hunderttausende Menschen aus Protest gegen Korruption und Misswirtschaft auf die Straße gegangen.

Kirche gefordert bei "himmelschreiender wirtschaftlicher Ungerechtigkeit“

Nach seiner Ankunft in Varginha gab Papst Franziskus sich bei regnerischem Wetter zunächst zur kleinen Kirche. Zur Begrüßung legten Bewohner ihm eine grün-weiß-blaue Blumenkette - in den Farben der brasilianischen Flagge - um den Hals. Nach einem kurzen Gebet segnete Franziskus den neuen Altar des Gotteshauses. Als Geschenk übergab er dem Pfarrer der Gemeinde einen Kelch. Anschließend begab er sich zu Fuß zum Sportfeld. Auf dem Weg betrat er für rund zehn Minuten ein Haus und stattete einer Familie einen Besuch ab. Auf dem Sportplatz wurde er von einer jungen Familie begrüßt, die ihm für den Besuch dankte und über ihre Situation informierte. Auf einer Hauswand gegenüber dem Papstpodium war ein großes Porträt des 1980 in San Salvador ermordeten Erzbischofs Oscar Romero zu sehen, für den derzeit ein Seligsprechungsverfahren im Gang ist.

Die Kirche sei "Anwältin der Gerechtigkeit und Verteidigerin der Armen gegen untragbare soziale und himmelschreiende wirtschaftliche Ungerechtigkeiten“, hob Papst Franziskus weiter in seiner Rede hervor. Sie biete ihre Mitarbeit zu allen Initiativen an, die eine "wahre Entwicklung jedes Menschen und des ganzen Menschen“ beinhalteten. Dazu gehöre neben dem Kampf gegen Hunger auch der Einsatz für immaterielle Güter wie Lebensschutz, Familie, Erziehung, Gesundheit und Sicherheit.

Symbolische Schlüsselübergabe

Vor seinem Besuch in der Favela hatte Franziskus im "Palácio da Cidade" (Stadtpalast) von Rios Bürgermeister Eduardo Paes symbolisch die Schlüssel der Stadt am Zuckerhut überreicht bekommen. Dabei segnete der 76-jährige Pontifex auch die Kirchen-Symbole und die Fahnen der Olympischen Spiele, die Rio de Janeiro im Jahr 2016 ausrichtet. Zugleich begegnete er auch mehreren Sportlern wie etwa dem Ex-Fußball-Star Zico. Bewegend war das Zusammentreffen des Papstes mit Brasiliens früherem Basketball-Idol Oscar Schmidt. Der 55-Jährige kniete sich lange vor Franziskus nieder und ließ sich segnen. Schmidt kämpft seit 2011 gegen Krebs und einen Gehirntumor.

In einer kurzfristigen Ergänzung des Programms traf Franziskus nach dem Aufenthalt in Varginha mit Weltjugendtagspilgern aus seiner argentinischen Heimat zusammen. Die argentinischen Jugendlichen stellen nach den Brasilianern das größte Besucherkontingent beim Weltjugendtag.


Favela in Rio (dpa)
Favela in Rio / ( dpa )

Papst besucht Favela (dpa)
Papst besucht Favela / ( dpa )
Quelle:
KNA , dpa , epd