Der landläufige Begriff "zwischen den Jahren" bezeichnet die Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag am 6. Januar. Dieser Zeitraum dient traditionell Besinnung und Ausblick. In ländlichen Regionen waren in diesen Tagen teils bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmte Tätigkeiten verpönt. Außerdem wurden die Häuser "ausgeräuchert", also mit Weihrauch und Weihwasser neu gegen Böses gewappnet.
Man vermied etwa Misten, Spinnen und Nähen und vor allem alles Waschen von Leinen. Denn ist zu Neujahr Wäsche aufgehängt, könnten böse Geister sie als Leichentücher für das beginnende Jahr nutzen - Unglück schien dann programmiert.
Doch wie kam es zu der mystischen Lücke "zwischen den Jahren"? In der Spätantike rumpelte es beim Übergang zwischen römischer Verwaltung und aufsteigendem Christentum. Im Jahr 153 verlegten die Kaiser den weltlichen Jahresbeginn im Reich vom 1. März auf den 1. Januar. Eine Kollision entstand, als die Christen begannen, das Weihnachtsfest zum Höhepunkt im Kirchenjahr zu erklären.
Papst Liberius setzte im Jahr 354 den 25. Dezember als Weihnachtstermin fest und kaperte damit den spätrömischen Kult des Sonnengottes "Sol invictus". Dieser Tag konkurrierte zudem im entstehenden Kirchenjahr mit dem bisherigen Hochfest "Erscheinung des Herrn" (6. Januar) und dem kalendarischen weltlichen Jahresbeginn.
Die Synode von Tours 567 bezeichnete die zwölf Tage zwischen Weihnachten und Dreikönig erstmals verbürgt als Zeit "zwischen den Jahren". Je nach Region werden sie auch "Rauhnächte" oder "Zwölfnächte" (Twelve Days of Christmas) genannt.
Im Mittelalter wechselte die römische Kirche mehrmals ihren Neujahrstermin. Erst 1691 legte Papst Innozenz XII. endgültig den (weltlichen) 1. Januar als Jahresbeginn fest. Im konfessionsgeteilten und territorial zersplitterten Deutschland wurden solche Festlegungen allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch deshalb hing man teils auf engstem Raum "zwischen den Jahren" - inklusive Jahreszahl.
Bis heute beginnt der bäuerliche Kalender am 6. Januar - Feiertag in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Auf dem Land hatte das Gesinde einst "zwischen den Jahren" frei. In dieser Zeit wurden gegenseitige Besuche gemacht, um Freundschaften zu festigen. Regionales Brauchtum zum Jahreswechsel ist Legion. (kna)
28.12.2020
Die berühmte Zeit "zwischen den Jahren": Die Rauhnächte füllen eine Lücke im Kalender, sind mit Ritualen besetzt und mit heidnischen Mythen aufgeladen. Aber wir können sie für uns nutzen, sagt Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti.
DOMRADIO.DE: Was genau sind die "Rauhnächte"?
Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsexperte): Das Wort "Rauhnächte" leitet sich von "Rauch" ab, also von Qualm, der aufsteigt. Er steigt auf, weil an diesen Tagen das Haus mit Weihrauch ausgeräuchert wird.
Die Menschen zogen umher, durch Haus, Stall und Hof, denn die Vorstellung war, dass Weihrauch die bösen Geister vertreibt. Die halten das nicht aus. Das ist wie Knoblauch für moderne Menschen: Es vertreibt die, die es nicht mögen. Und genau das war der Sinn der Sache: in den Rauhnächten zu räuchern und die bösen Geister zu vertreiben.
DOMRADIO.DE: Warum fallen die Rauhnächte in diese Zeit?
Becker-Huberti: Da gibt es zwei Gründe für. Der eine Grund ist natürlich die Wetterlage. Es sieht so aus – so haben die Menschen das schon in vorchristlichen Zeiten gedeutet – als ob die Götter in wilder Jagd umherziehen. Also wird Sturm, Regen und alles, was dazu gehört, dadurch ausgelöst.
Bei den Christen gibt es noch eine Variante. Nämlich die, dass ursprünglich in unserer Gegend Weihnachten auf dem sechsten Januar gefeiert wurde. Und als dieser Termin weltweit vereinheitlicht und auf den 25. Dezember gelegt wurde, war die Erinnerung an diesen alten Termin vorhanden, sodass die Zeit zwischen dem 25. Dezember und dem sechsten Januar eine Art Loch im Kalender war. Und da fiel dann auch noch der Jahresbeginn hinein.
Insofern war das eine besondere Zeit. Eine Zeit außerhalb der Zeit sozusagen, die besonders aufgeladen wurde. Und sie wurde mit heidnischen Vorstellungen verknüpft. Mit der zum Beispiel, dass man in diesen Tagen bestimmte Dinge nicht tun darf.
Man darf also nicht backen, keine Wäsche waschen, vor allem keine Wäsche draußen auf der Leine aufhängen. Man darf nach Anbruch der Dunkelheit nicht draußen herumlaufen und so weiter. Diese Vorstellungen sind zum Teil aus vorchristlicher Zeit, haben sich im Christentum erhalten und spielen in manchen Gegenden bis heute eine große Rolle.
DOMRADIO.DE: Und jeder Tag der Rauhnächte steht für einen Monat im nächsten Jahr, was das Wetter angeht?
Becker-Huberti: Ja, es gibt diese Bedeutung, die man dem ganzen unterlegt. Ein bestimmter Tag steht immer für einen Monat, so kann man das durchzählen. Das ist die alte Analogie, die die Menschen früher bezogen haben.
Da sie keine wissenschaftlichen Voraussagen kannten, haben sie das symbolisch gemacht und dementsprechend immer überlegt: Wenn das so ist an diesem Tag, wie wird sich das in dem entsprechenden Monat auswirken?
DOMRADIO.DE: Und die Zukunft wurde vom Sonnenschein abhängig gemacht?
Becker-Hubert: Ja, das ist eine andere Variante, nämlich je nachdem, ob die Sonne scheint oder nicht scheint und wie sich das Ganze auf das Wetter auswirkt. Es gibt auch verschiedene Methoden, das zu machen. Es war nicht nur so, dass man den Tag auf einen Monat des kommenden Jahres übertrug oder das Scheinen der Sonne.
Man konnte auch eine Zwiebel vierteln, in vier Ecken eines Raumes legen und ihr jeweils ein Vierteljahr zuordnen, um sich die Zwiebel am anderen Morgen anzusehen und zu sagen: Ah, das erste Jahresviertel, das wird ziemlich nass, aber das zweite ist dafür ganz trocken, das dritte ist wieder nass. So konnte man auch Prognosen abgeben.
DOMRADIO.DE: Wofür sollen die Rauhnächte genutzt werden?
Becker-Huberti: Wenn man klug ist, kann man sie als eine Zeit zur inneren Einkehr nutzen. Man kann sich ein Stückchen zurückziehen und versuchen, das alte Jahr hinter sich zu bringen und sich auf das neue Jahr vorzubereiten.
Es ist nicht unklug, diese Zeit als eine besondere Zeit zu begehen, zu meditieren, wenn Sie es so wollen, oder einfach nur zur Ruhe zu kommen. Die Zeit ist eine Zeit "zwischen den Jahren", so wird es auch genannt. Es ist eine Zeit, um mit dem Alten aufzuhören, und mit dem Neuen zu beginnen.
Das Interview führte Michelle Olion.
Der landläufige Begriff "zwischen den Jahren" bezeichnet die Tage zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag am 6. Januar. Dieser Zeitraum dient traditionell Besinnung und Ausblick. In ländlichen Regionen waren in diesen Tagen teils bis weit ins 20. Jahrhundert bestimmte Tätigkeiten verpönt. Außerdem wurden die Häuser "ausgeräuchert", also mit Weihrauch und Weihwasser neu gegen Böses gewappnet.
Man vermied etwa Misten, Spinnen und Nähen und vor allem alles Waschen von Leinen. Denn ist zu Neujahr Wäsche aufgehängt, könnten böse Geister sie als Leichentücher für das beginnende Jahr nutzen - Unglück schien dann programmiert.
Doch wie kam es zu der mystischen Lücke "zwischen den Jahren"? In der Spätantike rumpelte es beim Übergang zwischen römischer Verwaltung und aufsteigendem Christentum. Im Jahr 153 verlegten die Kaiser den weltlichen Jahresbeginn im Reich vom 1. März auf den 1. Januar. Eine Kollision entstand, als die Christen begannen, das Weihnachtsfest zum Höhepunkt im Kirchenjahr zu erklären.
Papst Liberius setzte im Jahr 354 den 25. Dezember als Weihnachtstermin fest und kaperte damit den spätrömischen Kult des Sonnengottes "Sol invictus". Dieser Tag konkurrierte zudem im entstehenden Kirchenjahr mit dem bisherigen Hochfest "Erscheinung des Herrn" (6. Januar) und dem kalendarischen weltlichen Jahresbeginn.
Die Synode von Tours 567 bezeichnete die zwölf Tage zwischen Weihnachten und Dreikönig erstmals verbürgt als Zeit "zwischen den Jahren". Je nach Region werden sie auch "Rauhnächte" oder "Zwölfnächte" (Twelve Days of Christmas) genannt.
Im Mittelalter wechselte die römische Kirche mehrmals ihren Neujahrstermin. Erst 1691 legte Papst Innozenz XII. endgültig den (weltlichen) 1. Januar als Jahresbeginn fest. Im konfessionsgeteilten und territorial zersplitterten Deutschland wurden solche Festlegungen allerdings sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch deshalb hing man teils auf engstem Raum "zwischen den Jahren" - inklusive Jahreszahl.
Bis heute beginnt der bäuerliche Kalender am 6. Januar - Feiertag in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Auf dem Land hatte das Gesinde einst "zwischen den Jahren" frei. In dieser Zeit wurden gegenseitige Besuche gemacht, um Freundschaften zu festigen. Regionales Brauchtum zum Jahreswechsel ist Legion. (kna)